GG 59

Dabidou prophētou kai basileōs melos, elegeiois perieilēmmenon hypo Paulou tou Dolskiou Plaeōs.

Psalterium prophetae et regis Davidis, versibus Elegiacis redditum a Paulo Dolscio Plauensi. Basel: Johannes Oporin August 1555, 8°.

1552 war in Wittenberg eine metrische Übersetzung des 51. Psalms aus der Feder des Hallenser Schulrektors Paul Döltsch (Dolscius) erschienen. Drei Jahre später erscheinen hier in Basel bei Oporin sämtliche Psalmen in seiner Übersetzung in griechische Distichen. Gewidmet hat Dolscius sie in Halle am 1. September 1554 seinen Herren, dem Rat der Stadt Halle an der Saale. 

Er höre Angelo Poliziano, dessen Urteil seine Zeit hoch geachtet habe, auf die Frage, was er von Inhalt und Lehre der Psalmen halte, auf ihren Gehalt hinweisen: Lehre aller bürgerlichen Tugenden, Bestätigung der Fürsehung, der Gegenwart Gottes, seiner Gerechtigkeit gegen Gute und Böse, ausgeschmückt mit Geschichten. Schöne Sprachfiguren, zuweilen süsser Klang der gewichtigen Merksätze. Doch das alles finde sich süsser bei Pindar. So hätten wohl zu allen Zeiten viele Gelehrte geurteilt, in Unkenntnis des Unterschieds zwischen der Kirche Gottes und den andern Völkern und den Lehren des Rechts, der Weisheit und der Vernunft und denen der Frohen Botschaft. Auch bei Pindar fänden sich Hinweise auf die Fürsehung Gottes, auf Gerechtigkeit, Bescheidenheit, und dies in unterhaltsameren grossartigen Geschichten von Bellerophon, Ixion, Tantalus, Peleus (die Dolscius kurz zusammenfasst), weshalb Weise ihn immer gern gelesen hätten. Doch in der Kirche brauche man nicht das Recht als Licht im Geiste, das mit den Menschen auf die Welt komme, sondern eine andere Art der Lehre, der Stimme des Evangeliums vom Sohn Gottes und der Vergebung der Sünden, der Versöhnung, die dem menschlichen Geist unbekannt gewesen, durch den Sohn gekommen sei. Das hätten Polizian vielleicht barbarische Märchen geschienen. Doch sie wüssten nun, dass die Lehre der Kirche durch herrliche Zeugnisse von Gott vermittelt und bestätigt sei. Da die Psalmen vom Sohn Gottes erzählten, solle man auf sie hören und den riesigen Unterschied zu den Oden Pindars kennen. Der Sohn Gottes zeige sich in ihnen, führe seine Kirche zu Gott; als Wort (logos) des ewigen Vaters sammle er die Kirche durch das Bedenken der Lehre in den Büchern der Propheten und Apostel. Man müsse sie also lesen, erklären, studieren lassen, was viele durch lange Kommentare (z. B. Bugenhagen, gedruckt in Basel), andere durch Wiedergabe von Lehrsätzen in griechischen und lateinischen Versen getan hätten. So gebe es süsse Verse von Apollinaris (der römische Dichter Sidonius Apollinaris aus Lyon, 5. Jh. n. Chr., Bischof von Clermont), einige Psalmen in herrlichen griechischen Versen von Joachim Camerarius, den ganzen Psalter in lateinischen Versen von Eobanus (der Humanist und Dichter Helius Eobanus Hessus; u.a. Marburg 1537) als erstem. Viele Psalmen habe Johannes Stigelius übersetzt (der Dichter und Professor der lateinischen Sprache in Wittenberg, dann in Jena Johann Stigel, 1515-1562), Luther habe nicht nur den ganzen Psalter aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzt, sondern auch viele Psalmen in Liedern bearbeitet. Diese Männer hätten mit ihrer Arbeit die andern zu häufigerer Lektüre der Psalmen anregen wollen. Er habe also in der Nachfolge berühmtester Männer den ganzen Psalter in griechische Verse übersetzt; über seinen Erfolg möchten andere urteilen. Doch die Merksätze stimmten mit den Quellen überein, von denen sich Apollinaris gelegentlich entfernt habe, da er nicht dem hebräischen, sondern dem griechischen Text gefolgt sei. Ihnen widme er das Werk, da es für ihre Söhne bestimmt sei, die sie ihm zur Ausbildung anvertraut hätten (er wird die Ausgabe also im Unterricht verwenden), auch als Muster seines Fleisses im Unterricht, seines Wohlwollens der Kirche gegenüber und der Stadt, die er geradezu als ein Beispiel für den Inhalt der Psalmen ansehe. In deren Unglück habe er aus den Psalmen Trost geschöpft. Worauf Dolscius Christus für die Stadt Halle mit ihren Salzlagern um Wohlergehen bittet. 

Dieser lateinischen Widmung lässt Dolscius eine 4 1/2seitige griechische Elegie Pros tous entynchanontas - an jeden Leser - folgen; den Psalmen angehängt ist eine lateinische Elegie des Eobanus Hessus über den Nutzen der Psalmenlektüre mit deren griechischer Übersetzung, ebenfalls in Distichen, sowie zwei griechische Epigrammata (Elegien) des jungen Genter Humanisten und Dichters Carl Utenhove, der 1555-1557 als Tischgänger bei Thomas Platter gewohnt hat und dort, von diesem als "der gwaltig Graecus und poet" beschrieben, griechische Literatur ins Lateinische übersetzt und Hebräisch getrieben hat (während seine beiden älteren Brüder bei Castellio sich dem Bibelstudium zu widmen hatten), der somit wohl, wie andere Drucke Oporins in diesen Jahren (z. B. die Epitaphia-Sammlung des Gilbertus Cognatus von 1556 [GG 58]), auch diesen als castigator und corrector betreut haben dürfte. In Basel immatrikuliert hat sich Carl Utenhove erst bei seinem zweiten Aufenthalt 1568/69.

Die beiden Elegien Utenhoves sind an Dolscius bzw. dessen Hymnen und an Johannes Otho gerichtet; im Basler Exemplar FNP IX 18 Nr. 1 hat er letzterer handschriftlich noch ein griechisches Pentastichon als Widmung des Büchleins an Bonifacius Amerbach folgen lassen, was darauf deutet, auch wenn das Exemplar keinen Besitzereintrag zeigt, dass es diesem gehört hat: Dōra theoi thymō smikraper charienta dechontai, / Kai sy ton ouk aekōn biblon labe. karolos outen- / ōbios hon phoreei baion geras essomenon soi. / Lamban' heōs hexei, hotiken pote kreissona dōsei, / Lamprotate kydrōn hyper ō pantōn aner andrōn. Ein zweites Exemplar: F O VI 7 Nr. 3. Das Exemplar des Frey-Grynaeums könnte dem Basler Theologen Johannes Gast gehört haben: Frey-Gryn A VII 19 Nr. 1.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FNP IX 18:1 | FO VI2 7:3 | Frey-Gryn A VII 19:1

Illustrationen

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2alphar: Vorrede des Paulus Dolscius an den Rat von Halle an der Saale, Halle, 1. September 1555, 1. Seite.

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2alphav/3alphar: Vorrede des Paulus Dolscius, 2. und 3. Seite.

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3alphav/4alphar: Vorrede des Paulus Dolscius, 4. und 5. Seite.

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4alphav/5alphar: Vorrede des Paulus Dolscius, 6. und 7. Seite.

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5alphav: Vorrede des Paulus Dolscius, 8. Seite.

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1ar: Beginn des Psalters.

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5yv/6yr: Griechisches Pentastichon von Carl Utenhove als Widmung des Büchleins an Bonifacius Amerbach; gegenüber das Kolophon.