GG 136

Martini Borrhai Stugardiani in tres Aristotelis de Arte dicendi libros Commentaria. Hermolai Barbari, eorundem versio, cum Graeco textu capitibus suis distincto, & figuris Aristotelicam methodum indicantibus illustrato... Basel: Jacob Parcus für Johannes Oporin September 1551. Fol.

Mit einer Widmung an den Landesherrn seiner Vaterstadt und Stadt seiner Jugend Stuttgart Herzog Christoph von Württemberg und einem längeren Geleitgedicht in lateinischen Distichen auf die Sprache, die Rhetorik, die Rhetorik des Aristoteles, diesen selber, den vorliegenden Kommentar, seinen Autor Borrhaus aus der Feder Hieronymus Wolfs, der, nach Studien in Tübingen und Wittenberg seit 1548 (Immatrikulation) in Basel bei Oporin Demosthenes und Isokrates herausgibt, lässt der Basler Professor für Altes Testament seinen in mehrjähriger Arbeit entstandenen Kommentar zur Rhetorik des Aristoteles im Verlag Johannes Oporins, gedruckt von Jacob Parcus, erscheinen. Borrhaus (Stuttgart 1499 - Basel 1564 an der Pest) ist, nach Studien ebenfalls in Tübingen und Wittenberg, seit 1536 in Basel, wo er sich 1538 an der Universität immatrikuliert hat; 1541 wurde er Professor für Rhetorik, 1544 für Altes Testament, 1549 promoviert er in Theologie. 

Aus verschiedenen Gründen würden es viele für unklug halten, beginnt er seine Widmung, in der er auf die Bedeutung der Rhetorik, nicht zuletzt für die Theologen, hinweist, dass er seine Annotationes zur Rhetorik des Aristoteles zu publizieren beschlossen habe. Erstens hätten schon vor ihm andere sie gelehrt kommentiert, so dass sein Kommentar nicht sehr vonnöten scheine. Dann sei er auch zu leichtgewichtig für eine Widmung an ihn: da brauche es Schriften über die Frömmigkeit, die Staatsverwaltung, über die Geringachtung alles Menschlichen, das Ertragen des in dieser Zeit so verbreiteten Unglücks. Schliesslich stehe auch ihm, der Theologie öffentlich lehre, ein Thema hierzu besser an als dieser Kommentar zu einer Rhetoriklehre. Doch nichts hiervon brauche ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Immer sei ein selber Autor von vielen kommentiert worden, wie dies die Griechen zu den Griechen, die Lateiner zu den Lateinern und die Hebräer zu den Hebräern zeigten. Warum solle er das nicht dürfen? Wenn er nach der gleichen Methode und gleich kommentierte wie seine Vorgänger, dann wäre das freilich überflüssig; wenn anders, aber schlechter, unverschämt. Wenn er aber teilweise klarer und zugänglicher mit profanen und theologischen Beispielen die Lehren des Aristoteles erkläre, werde kaum jemand diese seit zehn Jahren vorbereitete Publikation für überflüssig halten (vor zehn Jahren, 1541, hatte er seine Rhetorikprofessur erhalten: s. oben), und deswegen nicht weniger (auch) die Arbeit seiner Vorgänger (weiter)empfehlen, deren Gewissenhaftigkeit, Fleiss und Gelehrsamkeit in diesen ihren Werken er an den betreffenden Stellen keineswegs verleugnen werde. Widmung an einen Fürsten anderseits verdiene Rhetorik immer. Wie bei Homer Agamemnon sich nicht zehn Ajasse und Diomeden gewünscht habe, sondern zehn Nestore, so gehörten die Lehren des Aristoteles mit ihrem Inhalt - den Borrhaus, wie ihren Nutzen, einzeln behandelt - zum Wichtigsten für einen Staatsmann, wie Perikles und seine peithō, wie der Hercules Ogmius bei den Kelten zeigten, der mit seiner Ölbaumkeule und seiner Zunge die Menschen mitgerissen haben solle (wie Lukian berichtet und danach Cratanders Titeleinfassung für sein griechisches Lexikon von 1519 zeigt). Darum habe Aristoteles seine andere Rhetorik nicht irgendeinem Privatmann, sondern Alexander dem Grossen gewidmet (die heute nicht mehr als sein Werk angesehene sog. Rhetorica ad Alexandrum). Und das Theologische, das in diesen turbulenten Zeiten nötiger sei, fehle durchaus auch nicht in seinem Kommentar. Er habe sich nach seinen Kräften bemüht, die Lehren des Aristoteles, die dieser der Natur und dem Gebrauch entnommen habe, der Verwendung in der Theologie anzupassen. Über sein Gelingen möchten die Leser urteilen, menschliche Fehler selber verbessern, das Richtige aber in Liebe annehmen und darin Gott, den Geber aller Gaben, preisen. Dabei erkennten sie auch, dass die Gattung der Rhetorik einem Professor der Theologie nicht fern liege, sondern nützlich, sogar für ihn nötig sei. Was Borrhaus dann einzeln ausführt: Lobpreis und Mahnung als Zwecke, die Gattung des didaskalikon, die drei Gattungen des erhabenen, des schlichten und des mittleren Stils, Erzählung, die allein durch Rhetorik wirke, Schilderung der Welt durch den Theologen. Die beiden Teile des Menschen, Geist und Körper, bringe sie zu Ehren: den Geist, indem sie ihm Hinweise gebe, denen der Redner zur Bildung der Sitten, zur Erregung von Gefühlen und Leidenschaften, zu Überzeugung und Belehrung durch Beweismittel reichlich Stoff entnehme, in dem er seine Wirkungskraft dank der Beredsamkeit erkenne. Denn aus der Kenntnis der Sachen, zu der Gott den Menschen geschaffen habe, müsse die Rede herauswachsen und -fliessen; ohne diese sei sie unnütz und kindisch, verdiene sie, verspottet zu werden. Aber ebenso ziere sie den Körper: Gesicht und Hände stünden im Dienst des Geistes. Und auch Gott wolle seine Weisheit sich in drei Dingen widerspiegeln sehen: in der Welt, in den Geistern der Menschen und in der Rede, einer zuverlässigen Interpretin der Welt und der Geister. Daher hätten die Griechen klug mit dem einen Wort logos Vernunft, Zahlen und Rede umfasst und die vernunft- und redelosen Tiere als aloga bezeichnet. Was Borrhaus weiter mit hebräischen Bezeichnungen Salomos und griechischen Christi als logos = verbum (Joh. 1,18 und Apok. 19,13 spezifiziert. Und nach dem logos des Johannes in der Apokalypse, gleichsam nach dem Bild Gottes sei der Mensch geschaffen, dass er mit der Benennung der übrigen Dinge der Welt wie ein Bote die Weisheit und Güte Gottes preise. Zur Vollendung dieses Geschenks der Aussprache und Deutung sei er durch die Kunst Gottes so geschaffen, dass er mit den übrigen Werken dieser Welt (universitas) von Natur eng verbunden werde. Mit den Pflanzen habe er das Leben, mit den Tieren die Sinne, mit den Genien die Klugheit, mit Gott als Höchstes, Unüberschreitbares den heiligen Geist gemein, so dass er von den Alten zu Recht mikrokosmos, von der Heiligen Schrift universitas genannt worden sei. Wegen der wunderbaren Bande, mit denen er alles untereinander verbinde, habe er Gott geeignet geschienen, mit seiner hierzu geformten Kraft des Geistes und der Rede und seinen Körpergliedern seinen - Gottes - Willen bekannt zu machen und darzulegen, was zum allgemeinen Heil der Menschen gehöre. Wie daher die Naturlehre (naturae ratio), die die Griechen physiologia nennten, und die übrigen durch die göttliche Fürsorge den Menschen übergebenen und erhaltenen Künste dem Lehrer der Heiligen Schriften nicht fremd seien, so sei zu Recht noch weniger die Kunst der Beredsamkeit zu vernachlässigen, durch die Geist und Sprache zum Preis Gottes und zur Beratschlagung des menschlichen Gemeinwohls gebildet würden. Da also weder die vorhandenen älteren Kommentare seiner gleichgerichteten Arbeit entgegenstünden noch ein solches Werk für unwürdig gelte, in seinem Namen zu erscheinen, noch für einen Professor der Heiligen Schriften unpassend sei, sondern ihm sehr nützlich sein dürfte, darum glaube er, diese Bücher vor einigen Jahren, als er sie in der Basler Universität öffentlich gelesen habe, nicht aufs Geratewohl zur Erklärung nach bestem Vermögen ausgewählt zu haben.

Das Exemplar B c II 6 Nr. 1 hat Martin Borrhaus dem 1551 achtzehnjährigen Basilius Amerbach geschenkt.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc II 6:1

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit Schenkungsnotiz: "Basilio Amerbachio suo Marti / nus Borrhaus D.D."

Buchseite

Vorrede von Martin Borrhaus an Herzog Christoph von Württemberg, ohne Datum, 1. Seite

Buchseite

Vorrede 2. Seite

Buchseite

Vorrede 3. Seite

Buchseite

Vorrede 4. Seite

Buchseite

Vorrede 5. Seite

Buchseite

Anfang des Textes: Auf einen Abschnitt des griechischen Originals folgt jeweils die lateinische Übersetzung und der dazugehörige Kommentar

Buchseite

Tabellarische Übersicht zu den "Arten des Sprechens und deren Unterscheidung"

Buchseite

Kolophon