GG 195

Euripidis Poetae antiquissimi ac sapientissimi, Tragicorum vero (ut Plato & Aristoteles testantur) omnium principis, cuiusque singulos versus singula se testimonia M. Cicero putare ait, Tragoediae XVIII, singulari nunc primum diligentia ac fide per Dorotheum Camillum & Latio donatae, & in lucem editae... Adiecimus quoque de Poëtae vita, & scribendi ratione quaedam ex Emanuele Moschopolo, Thoma Magistro, Suida, alijs. Basel: Robert Winter August 1541. 8°.

38 Jahre nach dem griechischen Erstdruck durch Aldus Manutius in Venedig und vier Jahre nach dem zweiten griechischen Druck, durch Johannes Herwagen in Basel (GG 194), erscheint der erste Druck einer Übersetzung sämtlicher erhaltener Tragödien des dritten - und in jener Zeit bekanntesten - der drei grossen Tragiker, Euripides, nachdem zuvor in Übersetzung einzig die Hecuba (zuerst Leipzig 1501) und Iphigenia in Aulis (allein zuerst London 1517) einzeln oder - meistens - zusammen (Paris 1506, Venedig 1507, Wien 1511, Basel Froben (GG 192) und Florenz 1518, usw.) in Übersetzung des Erasmus von Rotterdam erschienen waren. Der Übersetzer, der sich hinter dem Pseudonym Dorotheus Camillus verbirgt, ist der damalige Professor der griechischen Sprache in Zürich Rudolf Ambühl (Collinus, Clivanus), durch eine Selbstbiographie bekannt. Er stammt aus Gundoldingen bei Rothenburg (1499 - Zürich 1578), hat nach Besuch der Klosterschule von Beromünster in Luzern und dann in Basel bei Johannes Xylotectus (Zimmermann) Latein und Griechisch gelernt, in Basel bei Glarean (Burse), in Wien bei Vadian und in Mailand u.a. bei Antonius Thylesius und Ludovicus Coelius Rhodoginus studiert. Als Schulmeister in St. Urban ist er auf die reformierte Seite übergetreten und 1524 nach Zürich übergesiedelt. Nach seinen eigenen Aufzeichnungen ist er der Reihe nach Student, dann Seiler, Reisläufer, Professor der griechischen Sprache, Chorherr und Gesandter gewesen. Nachdem er während der ersten drei Jahre seiner Professur wegen zu geringen Lohns noch das Seilerhandwerk weiter betrieb, konnte er, als ihm Zwingli eine Chorherrenpfründe verschaffte, die Seile an den Nagel hängen. Bekannt sind von ihm neben dieser pseudonym erschienenen Euripidesübersetzung eine Demosthenesübersetzung und Leichenreden auf bedeutende Persönlichkeiten: Petrus Martyr, Conrad Gesner und Heinrich Bullinger. Der Pseudonymität des Übersetzers entsprechend hat die Ausgabe auch weder Widmung noch Vorrede erhalten; die byzantinischen Texte zu Euripides von Manuel Moschopulos und Thomas Magistros und die Epigramme sind von Ambühl mitübersetzt worden, hinzugekommen sind die drei Seiten aus Volaterranus. Der - für 1541 ungewöhnlich - unpaginierte und unfoliierte Druck scheint in zwei Teilen gleichzeitig gesetzt und gedruckt worden zu sein: der erste endet mit der Iphigenia in Tauris auf der nicht ganz gefüllten Lage P (3 Seiten leer), der zweite beginnt auf Q mit dem Rhesus (Zwischentitel). Das gleiche Verfahren scheint auch für den Nachdruck gewählt worden zu sein, der im Februar 1550 bei Mathias Apiarius in Bern für Johannes Oporin erschienen ist: hier endet die Iphigenie auf B l.L 3 v° und der Rhesus beginnt auf B l.M (Zwischentitel). Das erst 1550 erworbene Basler Exemplar dieses Drucks scheint 1563 für einen P. P. C. gebunden worden zu sein (mit GF signierter Plattenstempel mit Kreuzigung mit Inschrift SANGVIS:IHS:CRIS:FILI / DEI... : B c VII 628).

Das Basler Exemplar B c VII 86 des Druckes von 1541 erweist sich, obwohl ohne Besitzereintrag, durch seine zahlreichen Notizen und Hinweishändchen als aus dem Besitz des Martin Borrhaus stammend. Er hat es zu seinem Gebrauch auch foliiert.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc VII 86

Illustrationen

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2ar: Beginn von Euripides' "Hecuba" in der lateinischen Übersetzung von Rudolf Ambühl.

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8Ttr: Kolophon

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8Ttv: Druckermarke von Robert Winter.