GG 231

Gnomologia Demosthenica: Hoc est Sententiae breves & illustres, ex Demosthene & Aeschine, Graecorum Oratorum principibus, Ad Linguae Graecae elegantem copiam, Rerumque multifariam cognitionem comparandam, Hieronymi Vvolfii authoritate collectae. Basel: Eusebius Episcopius in der Officina Hervagiana März 1570. 8°. 5 Bde.
Tomus primus. Io. Lodovico Havvenreutero Argentoratense, interprete.
Secundus Tomus Sententiarum, e quinque adversariis Aeschinis & Demosthenis orationibus, Graecolatinus, Baltasare Imbricio Regiocuriano Franco autore.
Tertius Tomus Sententiarum, e decem orationibus Demosthenis forensibus publicis, Graecolatinus, Baltasare Imbricio Regiocuriano Franco autore.
Quartus Tomus Sententiarum, e Demosthenis triginta forensibus privatorum contractuum Orationibus, Graecolatinus, Baltasare Imbricio Regiocuriano Franco autore.
Gnomologiae Demosthenicae Graecolatinae, Tomus quintus & ultimus. Ulpiani rhetoris observationes oratoriae ex XVIII quas is enarravit, Demosthenis orationibus, Paulo Rosa Cremnicio, Pannonio, interprite.

Ein Lehrbuch der griechischen Sprache, aber vor allem der Rhetorik und des griechischen Stils, das seinerseits von drei fortgeschrittenen Schülern mit Material ihres Lehrers und gewiss auch mit seiner Hilfe - "authoritate" - zusammengestellt und - was die lateinische Übersetzung betrifft - verfasst ist. Johann Ludwig Havenreuter, der Autor des ersten Bandes, Sohn des aus Nürnberg stammenden Strassburger Arztes und Professors der Medizin Sebald Havenreuter, war von seinem Vater "aus bestimmten Gründen", wohl zur Vervollkommnung seiner Griechischkenntnisse, nach Augsburg zu Hieronymus Wolf geschickt worden, bei dem er offenbar dann auch wohnte (1548 in Strassburg geboren, wurde er schon 1573/74 Professor der Philosophie in Strassburg, 1585 der Medizin, war ein beliebter Arzt und Lehrer; zahlreiche medizinische und naturphilosophische Schriften und Kommentare zu Aristoteles wurden zuerst von seinen Schülern, dann auch verbessert von ihm selber publiziert). Balthasar Imbricius (Ziegler) aus Königshofen in Franken, der Autor der Bände 2-4, war - er war gerade 19 Jahre alt, wie wir von ihm erfahren - Schüler Wolfs, wohl privat wie Havenreuter, und zugleich als sein Famulus tätig. Der dritte im Bunde und Autor des 5. Bandes ist der Pannonier Paulus Rosa aus Kremnitz (Slowakei), der, vermutlich als dessen älterer Studienbegleiter, mit dem Sohn eines Wiener Professors der Rechte nach Augsburg gekommen war und allein bei Wolf geblieben ist.

Havenreuter hat seinen Teil, wieder zurück in Strassburg, am 5. Dezember 1569, "1628 Jahre nach der Aufdeckung der Catilinarischen Verschwörung durch Cicero und der Rettung des römischen Staates", seinem Vater gewidmet. Er knüpft an dessen Beruf an: Wie die Ärzte, um die Beschaffenheit des menschlichen Körpers richtiger beurteilen zu können, ihn nicht nur nach den allen sichtbaren Gliedern sezieren, sondern auch das Innere erforschen, ja die Zusammensetzung der kleinsten Teile nicht auslassen, so sehe man auch die vorgehen, welche die Kenntnis der Sprachen vermittelten. Die einen gliederten die Bücher in Kapitel und die Reden in grössere (die Rhetoriklehrer und die Dialektiker) oder kleinere Teile (die Grammatiker). Daher seien Lehren der Rechtschreibung, der richtigen Aussprache, der zutreffenden Flektion und der angepassten Wortfügung ausgedacht worden und man habe begonnen, aus den anerkanntesten Schriftstellern Einzelwörter zu sammeln, woraus die sogenannten Lexika entstanden seien, gute Redeformeln festzuhalten, aus denen Phraseologien (wie etwa die Neanders) gebildet würden, und ganze Sätze zu betrachten, was zu gnomologischen Büchern geführt habe. Wenn auch deren Sätze zuerst aus Philosophenschulen als Mahnungen zur Tugend und Abschreckung von Lastern, als Lehren zur Staatsführung oder der Naturkenntnis aufgezeichnet worden seien, so sehe man, dass die Grammatiker hierin gefolgt seien, um damit ihre Lehren einzuüben und die zarten Gemüter der Knaben zur Tugend anzuspornen. Über den Nutzen dieser demosthenischen Gnomologien und seinen Grund zu ihrer Veröffentlichung wolle er, obwohl das Gelehrte schon umfassend getan hätten, kurz wiederholen, was er von diesen gelernt habe: erstens müsse man wissen, wer Demosthenes gewesen sei, zweitens erkennen, worauf es bei einem Redner ankomme. Für das erste, die Bedeutung des Demosthenes, führt er in der Folge Cicero und Quintilian an. Und darum finde man bei ihm - zweitens - alles, was zur Rhetorik gehöre, was Wörter, was Sätze und was die Gedankenführung betreffe. Die Wortwahl betreffe der erste Nutzen dieser Gnomologie; sie gehe die an, die die Reinheit und Feinheit der griechischen Sprache erlernen wollten. Hier fänden sie gute Begriffe (verba) und Redeweisen (loquendi formulas). Denn die Redner suchten ihre Gedanken nicht beim gemeinen Volk, sondern bei den Historikern, Dichtern, Philosophen - von der Rechts- bis zur Naturlehre. Und darin bestehe der zweite, weniger eng zu umschreibende Nutzen: nach Abschluss ihres Studiums könnten Theologen, Juristen, Staatsmänner, Ärzte und Schullehrer, die alle durch ihre Arbeit keine Zeit hätten, den ganzen Demosthenes durchzulesen, hier wie in einem Spiegel die Blüten erkennen und sich auswählen. Und drittens finde man dabei hin und wieder nützliche Beispiele für die rhetorische Behandlung eines Stoffes. So diene die Gnomologie dem selben Zweck wie die Sprachlehre. Als er gelernt gehabt habe, dass man sich diese so vielseitig aus Sätzen der Philosophen, Dichter, Historiker und vor allem Redner aneignen könne, habe er sich vorgenommen, nichts zu lesen, ohne sich Bezüge auf die sog. Gemeinplätze (loci communes) zu notieren, um sich, wenn er etwas zu schreiben oder einzuüben habe, daraus bedienen zu können. Und als er vor einem Jahr von seinem Vater aus bestimmten Gründen nach Augsburg geschickt worden sei und bei seinem Freund Hieronymus Wolf gewohnt habe und dieser mit der Durchsicht des griechisch-lateinischen Demosthenes beschäftigt gewesen sei (1572 bei Eusebius Episcopius erschienen [GG 230]), habe dieser ihn veranlasst, was er ihn bei andern Autoren machen gesehen habe, für den ersten Band der demosthenischen Reden zu versuchen. Als er dies unternommen und, so gut er gekonnt habe, abgeschlossen gehabt habe, habe er, Wolf, ihn ermuntert, das seiner Demosthenesausgabe hinzuzufügen (auf diese Weise, als Anhänge, hatte Wolf seine eigenen kleinen Gnomologien publiziert gehabt). Und gleichzeitig habe er dafür gesorgt, dass sein Famulus Balthasar Imbricius das selbe für die übrigen Bände tue. Er habe zwar gemeint, das gehöre sich nicht für ihr Alter, und wohl gewusst, dass sogar die Arbeiten der besten Gelehrten falschen Anschuldigungen nicht entgingen. Dennoch habe er es vorgezogen, dem Nutzen vieler zu dienen und nicht dem Neid gewisser Leute nachzugeben, und es nicht für schimpflich gehalten, wenn ein Jüngling (er war immerhin zwei Jahre älter als Imbricius: s. oben) mit seinem Beispiel zu einem solchen Versuch ansporne, den vorzügliche Gelehrte nicht für unter ihrer Würde gehalten hätten, indem sie mit andern Autoren das getan und veröffentlicht hätten, was hier für Demosthenes versucht worden sei (1547, 1569 und nochmals 1572 [GG 224] hat es Wolf selber, jeweils vermehrt, für Isokrates getan). Bei diesen Überlegungen hätten sie ihn ermuntert, ihnen als um ihn verdienten Freunden zu willfahren, besonders da Andreas Iociscus selig, Professor der Ethik an seiner Schule (in Strassburg) versprochen habe, aus allen griechischen und lateinischen Rednern, Philosophen, Dichtern und Historikern Sentenzen zu sammeln, und er daher gehofft habe, dass jener bei ihm verbessern werde, was vielleicht ausgesetzt werden könne. Wofür er als Beispiel seine kurzen tituli zu den Sentenzen anführt, wo er nicht, wie manche es täten, auf die sog. Gemeinplätze ausweichen könne, da sonst manche Sentenzen mehrmals aufgeführt werden müssten, was man durch den alphabetischen Index vermeiden könne, und als zweites Schwierigkeiten der Übersetzung dieser Titel durch den grösseren Reichtum der griechischen Sprache gegenüber dem Latein, wofür er ebenfalls Beispiele anführt. So habe er manchmal Ungleiches gleich übersetzen müssen. Auch hier habe er auf die Hilfe von Iociscus vertraut. Nach seinem Tod müsse er den Leser mit Isokrates bitten, mit dem Vorhandenen vorlieb zu nehmen (Iociscus hatte am 12. März 1569 noch seinen Nachruf auf Oporin Johannes Crato von Crafftheym gewidmet, den der junge Augsburger Patrizier Johann Heinrich Hainzel - er hatte sich 1568/69 in Basel immatrikuliert, 1571 dann in Tübingen - dann vortrug; erschienen in Strassburg noch 1569 [GG 474]). Das selbe habe er beim Übersetzen der Sentenzen tun müssen. Da er nicht angenommen habe, reiner, eleganter und treffender übersetzen zu können, habe er, wo immer möglich, Wolfs Übersetzung übernommen, an den übrigen Stellen sich bemüht, ihn nachzuahmen. Mit dem Hinweis, dass kein Buch ohne einen Patron zu erscheinen pflege, der es gegen böswillige Angriffe schütze, geht er zur Widmung an seinen Vater, seinen gewiss besten Beschützer über. Zudem vertraue er darauf, dass niemand seine Arbeit tadeln, sondern man sie als ehrenvollen Erstling für seinen Vater loben werde. Wenn jenes doch der Fall sei, möge er ihn bei seinen gelehrten Freunden Joachim Camerarius und Johannes Sturm in Schutz nehmen. Wenn diese seine Arbeit guthiessen, achte er den Tadel anderer für Luft; sonst wisse er auch, dass sie gerechte Zensoren seien (Sturm: der Begründer des Strassburger Gymnasiums; bei Camerarius kann es sich um den damals in Leipzig tätigen Philologen handeln, aber auch schon um dessen gleichnamigen Sohn, der, 1534 in Nürnberg geboren, seit 1562, nach Studien u.a. in Bologna und Padua, in Nürnberg als Arzt tätig war; den Vater dürfte Vater Havenreuter von Nürnberg her gekannt haben). - Havenreuter hat übrigens zuerst noch auf verwandtem Gebiet weitergearbeitet, bis zu seiner Magisterpromotion in Philosophie, die er, mit den Worten eines seiner Lehrer, als "aetate quidem adolescens, eruditione autem vir" 1574 - schon Professor - in Strassburg abgelegt hat: 1573 ist von ihm eine Sammlung Adagia classica erschienen.

Der Widmung Havenreuters folgt noch ein Epigramm des Autors der drei folgenden Bände, Balthasar Imbricius, auf diesen. Imbricius hat den 2. Band an seinem 19. Geburtstag, dem 3. März 1569, dem Augsburger Domkustos und Würzburger Domherren Johann Aegolph von Knöringen gewidmet: Die Reden, die er trotz seiner Jugendlichkeit ihm zu widmen wage, gehörten zu den bedeutendsten, beginnt er, so dass Cicero sogar ihrer zwei zum eigenen Vergnügen übersetzt habe. Wer Zeit habe, sie zu lesen, werde die heutigen Autoren nach einem Vergleich verabscheuen. Doch für Leute, die hierfür nicht genügend Musse hätten, sei es sinnvoll, Sammlungen mit den besten Formulierungen anzufertigen: für die Ungebildeten, die Unbemittelten (und zu diesen gehörten damals gewiss die meisten Studenten aus bürgerlichen Kreisen) und diejenigen, die durch ihre Geschäfte verhindert würden. Darum widme er das Werk ihm, der hochgebildet und mit den höchsten Staatsgeschäften befasst sei. Die kurzen Sätze dürften ihm Freude bereiten. Zudem brächten sie Morallehren, wie sie schon lange verlangt würden. Doch gelte es hier zu beachten, dass es sich nicht um Philosophie, sondern um Reden handle, in denen oft im Interesse einer Sache volkstümliche, der Philosophie durchaus ferne Gedanken vorgebracht werden müssten. Der Leser werde selber erkennen, was positiv und damit nachahmenswert sei, was nicht. Zudem sei die Sammlung ja auch noch für den Sprach- und Rhetorikunterricht angelegt. Die Sentenzen seien von einem Manne nebenher gesammelt worden, der Knöringen nahestehe (dem aber wegen anderer Arbeiten, Krankheit, Müdigkeit und Alter ihre Vollendung zu viel würde - Wolf ist noch nicht ganz 54 Jahre alt), der sie ihm zum Dank für seine treue Mitarbeit beim Kollationieren und Transskribieren des Demosthenes zur Publikation überlassen habe. Die Übersetzung habe er, wo immer möglich, von ihm übernommen (wie dann auch Havenreuter), beim übrigen sich bemüht, aus gutem Griechisch nicht schlechtes Latein zu machen. Natürlich würden auch hier sich Neider melden, die heruntermachten, was sie selber nicht besser hervorbrächten. Im folgenden weilt Imbricius auf den Vorteil seiner Form einer "zufälligen" Sammlung (wie Havenreuter) gegenüber der anerkannteren nach Loci communes hin: die Abwechslung unterhalte mehr als die Gleichförmigkeit jener Gruppierungen, und das Auffinden verwandter Sentenzen werde hier durch Marginalien und einen alphabetischen Index ermöglicht, die beide allerdings - wofür er Petrus Ramus zitiert - nicht ausufern dürften (die Marginalien hat der Drucker dann allerdings gänzlich weggelassen; dafür hat jeder Band einen griechischen und einen lateinischen Index nach sog. Loci communes, d.h. nach Themen wie z.B. Unrecht, Betrug, Übergehen). Abschliessend bittet Imbricius Knöringen, seinen jugendlichen Versuch gütig aufzunehmen, bis ihm Alter und Bildung Besseres zu leisten erlaubten.

Den dritten Band hat Imbricius am 25. März - an einem Tag, da das menschliche Geschlecht geschaffen, gefallen und wiedergeboren worden sein solle, 1569 dem Augsburger Rechtsgelehrten, Scholarchen und Vorsteher der Scholarchen Conrad Pius Peutinger gewidmet: Bei der Suche nach einem Empfänger der Widmung dieses dritten Bandes habe er sich an die häufige Erwähnung der Familie Peutinger durch seinen Lehrer und Herrn erinnert, die mit ihrer erhabenen Rechtsgelehrsamkeit die von dieser häufig verlangte Philosophie und das Studium der Beredsamkeit verknüpfe, die auch diejenigen Jünglinge, die sich mit den Freien Künsten befassten und später dem Staat dienten, fördere und diejenigen, die sie unterrichteten, dadurch andern empfehle. Er bittet ihn, dieses kleine Werk freundlich aufzunehmen, dessen Inhalt für das jugendliche Studium sehr wohl geeignet und Männern, die mit der Verwaltung ihres Besitzes oder des Staates beschäftigt seien, in Mussestunden sehr unterhaltsam sei (wobei er sein Interesse für das erstere mit seinem Einsatz als Vorstand der Scholarchen für den Aufbau, Unterhalt und Ausbau ihres Gymnasiums zeige). Es sei bekannt, dass er neben seiner vielfältigen Bildung und Tätigkeit an solchen Schriften Freude habe, aus eigenem Antrieb wie aus Familientradition, wofür er auf seinen Grossvater Conrad Peutinger (1465-1547) hinweist, der ihnen eine an alten Schriftdenkmälern und eigenen Werken (die er einst veröffentlichen sollte) reiche Bibliothek hinterlassen habe, seinen vielseitig gebildeten Vater Claudius Pius und seinen Oheim, den tugendreichen Staatsmann Christoph Peutinger. Ähnlich sei die Arzneikunde in der Familie des Hippokrates, seien die Priesterämter bei den Hebräern und Ägyptern vererbt worden. Doch darüber könne er mit seinen kaum über 19 Jahren nicht angemessen schreiben, er könne nur ihm und seinen Mitscholarchen Johann Matthaeus Stamler, Johann Hartlieb und Christoph Tenn danken, besonders da sie ihn als Auswärtigen in ihre dank ihnen neu aufblühende Schule zum Unterricht in beiden Sprachen durch hervorragende Lehrer aufgenommen hätten. Daher widme er ihm diese Arbeit, die ihm sein bester Lehrer und Herr geschenkt habe, dem er und seine ganze Familie überaus gewogen sei, als dankbarer Schüler ihrer Schule. - Dieser Widmung folgt, während der des 2. Bandes ein lateinisches Epigramm des Tirolers Lucas Gezcofler, wohl eines andern Schülers Wolfs, an den Leser beigegeben ist, ein griechischer Brief des Königshofeners Richard Hemel "an seinen liebsten Landmann Balthasar Ombrikios".

Den vierten Band hat Imbricius am 28. April 1569 - an welchem Tag vor sieben Jahren seine Vaterstadt von einem Schuft fast gänzlich eingeäschert worden sei, dem Erzschreiber Königshofens Nicolas Lang - wohl deshalb nennt er hier nebenbei auch seinen bürgerlichen Namen "Imbricii (Ziegleri vulgo)" - und dem Würzburger Sekretär (wohl des Bistums) Sebastian Bocsperger gewidmet. Die Widmung zeigt uns die Unsicherheit, Abhängigkeiten, die wohl hinter manch einem unsteten Leben eines Schülers und Studenten aus ärmeren Kreisen in jenen Jahrzehnten stehen. Er denke zurück, wer sich alles in seinem Leben - er ist gerade 19 Jahre alt! - bisher um ihn verdient gemacht habe: nach seinen Eltern der Lehrer Gabriel Höflich, der die Stadtschule 26 oder mehr Jahre geleitet und darauf geachtet habe, dass ihn nicht irgendeine Schwierigkeit vom Studium abschrecke, dessen Oheim Wolfgang Höflich, sein verstorbener Verwandter, damals Scholarch, der den kleinen Knaben interessiert seine Hausaufgaben abgefragt habe, dann dessen Nachfolger aus dem Rat Chilian Schleusing. Nach dem Brand der Stadt habe er, Lang, sich mit seinen damaligen Lehrern Gabriel Höflich und Valentin Bocsperg, dem Bruder Sebastians, dafür eingesetzt, dass er mit einem Stipendium aus der Barbarei herauskomme, und dies trotz der Verminderung der staatlichen Einkünfte durch den Brand. Als er dann von Schleusingen, wo er mit den gelehrten Johann Gripleb und Jacob Fomann verkehrt habe, zurückgekehrt sei, habe er ihn mit einer neuen Gabe des Rats mit sich nach Hof genommen und sei dort wie ein Vater für ihn aufgekommen. Als er nicht länger als ein Jahr bei den gelehrten Jacob Schlemmer, Christoph Cadesreuter und Thomas Blöbel habe bleiben können und es ihn nach geistiger und körperlicher Nahrung verlangt habe, habe ihn ein Freund auf Augsburg aufmerksam gemacht; da habe er, Bocsperg, sich seiner wie ein Patron eines Klienten angenommen und ihn dem hochgelehrten Johann Fesser, einem Landsmann und Kollegen des Augsburger Gymnasiums anvertraut. Durch ihn sei er von seinem verehrten Lehrer Matthias Schenk aufgenommen, einige Monate auf Staatskosten im Hause des gebildeten Leonard Bayer untergebracht und schliesslich Famulus (a manibus) seines lieben edlen Herrn und Lehrers Hieronymus Wolf geworden, der ihm in seiner Liebe dieses Geschenk dargeboten habe, das er ihnen hier widme. Er wünscht beiden ein glückliches Wirken in ihren Ämtern, dass sie ihr Königshofen zu einem wahren Königshof machen könnten, an dem Recht, Wissenschaft und Menschlichkeit herrschten. Er hoffe, ihn, Sebastian Bocsperg, dort einst als Erwachsener wiederzutreffen, als Lehrer, was ihm seine Natur wohl bestimmt habe.

Auf völlig anderm Weg ist Rosa zu Wolf und zu seinem Anteil an der fünfbändigen Gnomologie gelangt, aber auch sein Bericht wirft nur sympathisches Licht auf seinen damaligen Lehrer. Er hat ihn nach Imbricius abgeschlossen, wohl auch erst nach ihm zugewiesen erhalten, doch noch vor Havenreuter, der ja auch erst etwa im Dezember 1568 nach Augsburg geschickt worden war und seinen Teil, mit der Einleitung zum ganzen Werk, als letzter erst wieder von Strassburg aus gewidmet hat. Seine Widmung aus Augsburg vom 15. Oktober 1569 gilt dem Rechtsgelehrten und Kaiserlichen Professor an der Wiener Akademie Georg Musler, der ihn zuvor offenbar als Studienbegleiter seines einzigen Sohnes ausersehen und dafür seine eigenen Studien unterstützt hatte, diesen dann aber wieder zur Familie heimgeholt hat. Er habe schon lange nach einer Möglichkeit gesucht, ihm für seine Wohltaten zu danken. Die beste habe er ihm genommen, als er seinen Sohn, den er ihm als Studienkollegen mitgegeben habe, und für dessen Studien er sich habe einsetzen können, als einzigen Sohn wieder heimgeholt habe. Doch nun biete sich unerwartet eine neue, denn da er nach dem Willen seines vielseitig gelehrten unglaublich freundlichen (incredibilis humanitatis) Lehrers und Herrn Hieronymus Wolf die lateinische Übersetzung von dessen Gnomologie veröffentliche, habe er beschlossen, das in seinem Namen zu tun. Denn da sie rhetorische Wahrnehmungen enthalte und er dieses Fach schon viele Jahre an der berühmten Wiener Akademie und am kaiserlichen Hof vertrete, dürfte ihm dieses Geschenk zwar nicht nötig, aber doch nicht unwillkommen sein. Vielleicht sei für ihn das eine oder andere darin zwar nicht neu, aber genauer untersucht, klarer erläutert. Um Vorwürfen von Neidern vorzubeugen, wolle er den Grund dieser Widmung erklären. In den letzten Monaten, als er nach dem Rückruf seines Sohnes dank seiner Freigiebigkeit hier gelebt habe, habe ihm Wolf in seiner Güte diese Gnomologie, die er aus Ulpian, Libanius und andern Demosthenes-Erklärern gesammelt und niedergeschrieben habe, übungshalber zu übersetzen gegeben. Da habe er erst gemerkt, wie gering sein sprachliches Rüstzeug, vor allem im Griechischen sei, das er nicht so lange zuvor erst zu lieben und zu lernen begonnen habe (ehrlich gesagt sei er erst, als er in diese Stadt gekommen sei und Wolfs Gewissenhaftigkeit und Einsatz im Unterricht des Griechischen bemerkt habe, dazu angetrieben worden, sich darum zu bemühen, nachdem es ihn vorher irgendwie abgestossen habe). Dennoch habe er dank der Unterstützung des Lehrers und der Einsicht in den Nutzen der Übung die Arbeit gern auf sich genommen und, da er damals Zeit gehabt habe, habe er die Gnomologie, mehr als eigene Übung als um eines Erfolges willen, zu übersetzen begonnen. Als ihm dann einige Patriziersöhne zur Erziehung anvertraut worden seien, für deren Unterricht er fast all seine Zeit habe aufwenden müssen, hätte er aus Zeitmangel und wegen der Schwierigkeit die Sache weggelegt, wenn ihn nicht der Nutzen und der eigene Vorteil, den er mit dem Fortschreiten der Arbeit an sich selber bemerkt habe, dabei gehalten hätte. Soviel er an Zeit den pädagogischen Mühsalen habe abringen können, habe er der Übung gewidmet und nie auch nur geahnt, dass dieser Versuch einst veröffentlicht werden könne. Doch als sein Werk einigermassen vollendet gewesen sei und Wolf es noch ausgefeilt gehabt habe, habe dieser ihm aufgetragen, einen Patron dafür zu suchen, und das habe er seinem Lehrer und um ihn verdienten Herrn nicht abschlagen können. Das Beste an der Sache sei allerdings wohl seine eigene Stilübung gewesen, sowie die Gelegenheit, sich Wolf und ihm gegenüber aufmerksam zu zeigen.

Die Vorreden der drei Schüler Wolfs, die, ganz verschiedener Herkunft und wohl auch Standes, auf ganz verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Gründen zu ihm gelangt sind, zeigen uns, wie erstaunlich pädagogisch geschickt dieser seine Schüler - Imbricius dürfte ihm als "a manibus" wie Rosa wohl auch schon in der Schule oder der Bibliothek geholfen haben - durch selbständige Mitarbeit an seinen Werken und Vorhaben sich aktiv selber ausbilden lässt und sie so in die höhere Sprachkunst und die philologische Arbeit einführt. Und sie dann mit einer Publikation unter ihrem Namen in jugendlichem Stolz die Früchte ihrer Arbeit selber ernten lässt, anders als etwa der autoritäre Neander mit seiner Phraseologia Isocratis 1558 bei Oporin (GG 221). Nicht erstaunt es dann, dass er in einer Stadt ohne Universität begabte Schüler aus ganz Deutschland nach Augsburg zieht, von Strassburg bis Unterfranken und Wien.

Ex libris Academiae Basiliensis (in Einband mit Stempelplatten der Iusticia und Lucretia): B c VIII 75.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc VIII 75

Illustrationen

Buchseite

Titelseite zum ersten Band des griechischen Lehrbuchs

Buchseite

2alphar: Anfang der Vorrede des Herausgebers Johann Ludwig Havenreuter zum ersten Band vom 5. Dezember 1569.

Buchseite

8alphav: Anfang des ersten Bandes des griechischen Lehrbuches.

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1ar: Anfang der lateinischen Übersetzung.

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5AAAv: Kolophon

Buchseite

7AAAv: Druckermarke