GG 252

Hēliodōrou Aithiōpikēs historias biblia deka.

Heliodori Historiae Aethiopicae libri decem, nunquam antea in lucem editi. Basel: Johannes Herwagen Februar 1534. 4°.

Erster Druck des letzten griechischen Romans, der Liebesgeschichte um Theagenes und Charikleia, die in Äthiopien, Delphi und Ägypten spielt, auch von kulturgeschichtlichem Quellenwert. Der Autor Heliodor lebte im 3./4. Jahrhundert n. Chr. und stammt aus Emesa in Syrien. Gross war in der Folge der Einfluss der Äthiopischen Geschichten auf die Erzähler der Renaissance und des Barock, u.a. Tasso, Cervantes und Calderon. Die erste französische Übersetzung erschien schon 1547 in Paris, die erste lateinische, von einem polnischen Übersetzer, 1552 (GG 253) in Basel bei Oporin. Herausgeber ist Vincentius Obsopoeus, der schon 1530 die griechische Erstausgabe des Polybius in Hagenau besorgt hatte und der 1539 Diodor (GG 243) zum ersten Mal griechisch in Basel bei Oporin und Winter herausgeben wird. Die Heliodorausgabe hat er von Ansbach aus am 26. Juni 1531 den verehrlichen Ratsherren und Patriziern der Stadt Nürnberg gewidmet: Er habe bisher nichts gefunden, was ihrer Grosszügigkeit würdig sei, beginnt er, der Stadt, in der er am angenehmsten gelebt habe und gern weiter gelebt hätte, deren Erinnerung ihn noch erfreue. Sein Dank habe etwas Bleibendes und weithin Bekanntes sein sollen. Diese Sorge habe ihm ein gütiger Genius genommen, der ihm diese zehn Bücher der Äthiopischen Geschichte Heliodors in die Hände gegeben habe. Sie seien nun sein Dank, im besonderen für seinen Gönner Johann Seyfried. Zu ihrem Ruhm wolle er sein Möglichstes tun. Heliodor habe in dieser Geschichte ein vollkommenes Bild der menschlichen Leidenschaften (die alle genau zu kennen nicht der geringste Teil der Weisheit sei) und in Theagenes und Charikleia ein herrliches Beispiel ehelicher Liebe und Treue und der Standhaftigkeit gezeichnet; vor allem aber sende er ihnen ein sprachliches Schmuckstück, ein rhetorisches Kunstwerk, mit dem er keinem griechischen Autor nachstehe; er empfehle sich sogar umso mehr, als bisher kein Druck bekannt sei, weder griechisch noch lateinisch. Auch Heliodor verdanke ihnen seine Wiedergeburt aus Ungeziefer, Schmutz, seine Rettung vor dem nahen Untergang. Zu ihm gelangt sei er nach seiner Rettung aus der ungarischen Niederlage, in der die reichste aller Bibliotheken, die des Königs Matthias Corvinus (1458-1490) vor wenigen Jahren durch die asiatischen Barbaren verwüstet worden sei. Ihn habe mit manchen andern ein gewöhnlicher Krieger, vollkommen fremd jeder Griechisch- oder Lateinkenntnisse, der jetzt bei ihnen als Färber arbeite, der damals den berühmten Markgrafen Kasimir von Brandenburg nach Ungarn begleitet habe, zufällig wohl kaum ohne göttlichen Plan, mitgenommen, da er durch Goldschmuck damals recht gestrahlt habe (d.h. in goldbeschlagenem Prachteinband) - damit ein solcher Autor nicht, von kaum jemand gelesen, untergehe, sondern dank seiner Rettung vielen Freude und Nutzen bringe. Es sei bis dahin kein anmutigerer, aber auch kein gelehrterer griechischer Historiker in seine Hände gelangt (sagt der Erstherausgeber des Polybius). Dem dürften nach gründlicher Lektüre auch andere beipflichten. Für die Glaubwürdigkeit der Geschichte stehe er nicht ein, das sei Sache des Autors. Die griechischen Historiker seien kühner als die lateinischen. Doch wer Herodot nicht in allem den Glauben versage, der müsse wohl auch Heliodor als einem griechischen Historiker glauben. Was den bunten und vielschichtigen Inhalt betreffe, verspreche er noch Feierlichkeit, über die Anmut und Lauterkeit der Geschichte hinaus: virtuose kosmographische Beschreibung vieler Örtlichkeiten, Ergründung und Darstellung mancher verborgenster Dinge, gelehrte Beschreibung der Sitten und Bräuche zahlreicher Völker, Erklärung der Natur vieler kaum bekannter Flüsse, Berge, Gesteine, Kräuter und Gegenden Ägyptens und des diesem benachbarten Äthiopien: alles in herrlichen Exkursen, anmutigen Randgeschichten, so dass er seinen Namen Sonnengeschenk vor allen verdiene. Nichts, das selbst dem anspruchsvollsten Leser Überdruss erzeuge. Sie möchten also den Autor entgegennehmen, damit er, wie ihre Stadt mit den besten Gesetzen Deutschlands eine zweite Sonne sei, unter dieser Sonne Deutschlands wiedergeboren werde. Sie wüssten, wie die Literatur allgemein gering geachtet werde, wie wenige ihre Rettung wirklich wünschten. Und wenn nicht die alten Autoren dieser Art aufmerksamst erhalten und die noch ungedruckten ans Licht gebracht würden, bestehe die Gefahr, dass bei der gegenwärtigen Rohheit der Sitten und barbarischen Verachtung für die Künste und Sprachen alles gänzlich zu Grunde gehe. Viele bewunderten und verehrten Bildnisse der Alten, ein anderer schätze Bruchstücke einer alten Inschrift, ein dritter sammle alte Münzen, ein vierter verehre irgendein eher lächerliches Überbleibsel aus früher Zeit. Von allen Völkern verehrten die Skythen ihre Denkmäler und Gräber am andächtigsten und kämpften sogar für sie. Doch viel kostbarer als all dies sei eine Geschichte, die uns nicht nur eine Antiquität zeige, sondern das gesamte Leben der Vorfahren, dazu die Sitten, Bräuche, Staatsformen vieler Völker, vieler Männer Aussprüche und Taten zugleich wiedergebe, damit man wie in einem Spiegel ihren Alltag, das von ihnen hinterlassene Vaterland sehen und die heutige Verkommenheit gegenüber ihren einfachen und reinen Sitten ersehen könne. Diese beachte heute niemand mehr. Einst hätten sich die Könige und Fürsten bemüht, die Werke der alten Autoren zu bewahren. Allein dadurch hätten sich die sonst dem Luxus verfallenen Ptolemäer in Ägypten und in jüngster Vergangenheit König Matthias Corvinus von Ungarn, den viele zu Unrecht als Tyrannen verschrieen, unsterblichen Ruhm erworben. Jetzt sei, wie anderes Schöne, durch die Zerstreuung der meisten Fürsten in alle mögliche profane Tätigkeit, auch dieser Brauch ausser Übung gekommen. Möge Nürnberg nicht so sehr als edle Kaufmannsstadt wie als Wohnsitz der Künste und Wissenschaften und jeder Bildung bekannt werden. Die Heliodorausgabe machte den Namen Nürnbergs bekannt, wie die frühe französische und die bald folgende, mehrmals nachgedruckte lateinische Übersetzung zeigen.

Das Basler Exemplar B c IV 100 A hat der junge Basler Theologe - später Professor und Antistes in Basel - Johann Jacob Grynaeus 1564 in Tübingen von seinem damaligen Kommilitonen Johann Wolf aus Bergzabern geschenkt bekommen (Bern 1540 - Basel 1617, immatrikuliert in Basel 1551/52, Stud. theol. in Basel 1558, in Tübingen 1563/64); 1751 im Besitz eines S. Schmidt; 1948 aus der Stadtbibliothek Biel im Tausch erworben. Das Exemplar B c IV 100 stammt aus dem Besitz Remigius Faeschs, der es 1634 für 3 Gulden erworben hat.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc IV 100 | Bc IV 100A

Illustrationen

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Titelseite mit Druckermarke.

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1av/2ar: Vorrede des Vincentius Obsopoeus vom 26. Juni 1531, 1. und 2. Seite.

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2av/3ar: Vorrede des Vincentius Obsopoeus, 3. und 4. Seite.

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3av/4ar: Vorrede des Vincentius Obsopoeus, 5. und 6. Seite.

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1br: Anfang der griechischen Heliodorausgabe.

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5Hr: Kolophon