GG 282

Eis tēn Tetrabiblon tou Ptolemaiou exēgētēs anōnymos.

In Claudii Ptolemaei quadripartitum Enarrator ignoti nominis, quem tamen Proclum fuisse quidam existimant. Item Porphyriou philosophou Eisagōgē... Porphyrii Philosophi introductio in Ptolemaei opus de effectibus astrorum. Praeterea Hermetis Philosophi De revolutionibus nativitatum libri duo, incerto interprete. Basel: Heinrich Petri September 1559. Fol.

Über die Entstehung der hier vorliegenden Sammlung von drei astrologischen Schriften aus dem Umkreis des Neuplatonismus - die hier kommentierte Tetrabiblos syntaxis selber war u.a. 1553 in Basel bei Johannes Oporin mit lateinischer Übersetzung Philipp Melanchthons erschienen (GG 281) - gibt uns Heinrich Petri in seiner Vorrede an den an Astrologie interessierten Leser vom 1. September 1559 selber einige Auskunft. Sie bietet zugleich einen nicht alltäglich offenen Einblick in seine Arbeit und seine Sorgen als Verleger:

Er sei sich im klaren, dass von den Astrologen alles, was zum besseren Verständnis der Schriften des Ptolemaeus, des Fürsten dieser Wissenschaft, dienen könne, sehnlichst erwartet werde. Die 'Hundert Lehrsätze' seien von Pontanus und (Georgios) Trapezuntios übersetzt worden. Haly habe auch versucht, die 'Tetrabiblos' zusammen mit den 'Sentenzen' zu erklären. Als Araber und des Griechischen weniger kundig habe er sich hin und wieder geirrt. Als er, Petri, kürzlich auf den Venezianer Druck von 1502 des Kommentars zur 'Tetrabiblos', der Georg Valla zugeschrieben werde, gestossen sei, habe er sich sehr gefreut, denn von diesem habe er nur Gutes erwartet. Doch bei seiner Lektüre habe er bald leicht gemerkt, dass das Werk erstens Valla zu Unrecht zugeschrieben, zweitens von ihm keineswegs redigiert, sondern höchstens aus dem Griechischen übersetzt sei. Daher habe er sich um eine griechische Handschrift bemüht und einen gelehrten Freund gebeten, die Übersetzung Vallas mit ihr zu vergleichen und die Redaktion vorzunehmen, zu der Valla ohne Zweifel durch seinen Tod nicht mehr gekommen sei; denn so viel Unwissenheit und Gleichgültigkeit dürfe diesem Gelehrten nicht angelastet werden. Jener habe aus Freundschaft und Liebe zur Astrologie nicht abgelehnt. Doch schon beim Vergleich der ersten Seite habe er so viel Entstelltes gefunden, dass der Rand die Korrekturen nicht hätte fassen können. Daraufhin habe er ihn gebeten, den Kommentar nochmals ganz neu zu übersetzen. Er habe zugesagt, doch ungern, da er sich mit diesem Kommentar keinen Ruhm erwerben könne und bis dahin an Gewichtigerem gearbeitet habe. Er habe seinen Widerwillen heruntergeschluckt und das Werk für ihn vollendet, doch geklagt, in seinem ganzen Leben noch nichts Mühsameres auf sich genommen zu haben. Denn auch die griechische Schrift (der ihm von Petri zur Verfügung gestellten Handschrift) sei ganz mies und schwer zu lesen, des Kommentators Worte oft verworren und das Werk selbst an zahlreichen Stellen in so schlechtem Zustand und lückenhaft, dass kein sicherer Sinn herausgelesen werden könne. Mit Raten habe er immerhin vorsichtig vieles instandstellen können, anderes auch nicht; er hoffe, dass seine Arbeit den Interessenten nützlicher sei als sie ihm angenehm gewesen sei. Und, fährt Petri fort, er habe auch seinen Namen nicht genannt haben wollen, da er Tadel befürchtet habe, sich mit einem solchen Text befasst zu haben. Nicht dass er diesen Kommentar für wertlos halte (es sei gewiss viel Nützliches für die Wissenschaft darin), sondern weil es schimpflich erscheine, gewissermassen von Pferden zu Eseln abzusteigen. Um diese Schädigung seines Rufes zu vermeiden, habe er auf die Gewährung und den Nutzen einer Widmung lieber verzichten wollen und die Ausgabe ganz seiner Verantwortung überlassen. Er aber habe sich weder seiner Ehrlichkeit widersetzen noch die Wissenschaft um den Nutzen des Werkes bringen wollen und biete es deshalb den Liebhabern der Astrologie an. Je mehr Nutzen diese aus ihm zögen, desto weniger würden ihn Aufwand und Mühe reuen. Es sei wohl den Gelehrten wie den gerechten Kritikern schon klar, dass seine Druckerei mehr der Erhaltung und Verbreitung der wissenschaftlichen Literatur diene, als seinem Vermögen. Der Leser möge, mit Vergil, aus dem Mist, d.h. aus einer verderbten Handschrift, Edelsteine, d.h. nützliches Wissen und herrliche Lehren, sammeln. Die natürlich nicht aus einer der Dichtungen Vergils stammende Bemerkung von den Edelsteinen im Ennianischen Mist ist in unserm Druck gleich noch zweimal verwendet, in einem Entschuldigungsepigramm auf der Rückseite des Titels und in einer zweiten kurzen Entschuldigung des Typographus auf S. 180 vor dem zweiten, wohl wirklich von Porphyrius stammenden Text (während der Zweifel an Proclus für den ersten sich als berechtigt herausgestellt hat). Der dritte Text, die Schrift über die Nativitäten aus dem spätantiken 'Corpus Hermeticum', in einer anonymen lateinischen Übersetzung, hat eine eigene Widmung erhalten, vom Gräzisten und häufigeren Mitarbeiter (von Augsburg aus) Oporins, Hieronymus Wolf, dem Sekretär und Bibliothekar Jakob Fuggers 1551-1556, 1557 dann Rektor zu St. Anna in Augsburg, datiert von Augsburg 1. Januar 1558, an den Augsburger Patrizier Paul Haintzel. Aus dieser Widmung dürfen wir wohl auch darauf schliessen, dass Wolf auch der anonym bleiben wollende neue Übersetzer und Herausgeber der vorangehenden Ptolemaeus-Kommentare ist. Natürlich ist sein langer Widmungsbrief innerhalb der Stadt Augsburg im Grunde nichts anderes als eine Empfehlung des Druckes in Form einer hiermit verbundenen, in diesem Fall sogar echt freundschaftlichen Widmung. Er gibt uns überdies einen sehr instruktiven Einblick in die philologische Arbeit eines sorgfältigen Herausgebers alter Texte in dieser Zeit. Seinen damaligen Wirkungsort, die Schule zu St. Anna, nennt Wolf im Datum seines Briefes "sein Lyceum, das er schon lange, doch erfolglos, in ein Museum verwandeln möchte". Er beginnt mit der Bemerkung, die Lektüre von Haintzels 'Hermes' sei ihm wegen der Gescheitheit und der Methode seiner Lehre willkommen und nützlich gewesen; noch unbeschwerter und angenehmer wäre sie ihm gewesen, wenn er auch eine griechische Vorlage gehabt hätte. Wenn er auch nicht wisse, wer dieser Hermes gewesen sei (jener Trismegistos, dem die hundert astrologischen Sentenzen, zu Recht oder zu Unrecht, zugeschrieben würden, könne es nicht sein), darauf, dass er nicht Grieche, sondern vielleicht Araber oder Sarazene gewesen sei, würde manche Stelle deuten. Dennoch führten ihn Spuren der lateinischen Übersetzung dazu, darin eine Übersetzung aus dem Griechischen zu sehen, eine zuverlässige, aber zu sklavische, was zu Unklarheiten geführt habe. Dazu komme die Schwierigkeit der verwickelten Schreibweise. Haintzels Bemühungen habe er an seiner Abschrift und seinen "asterisci" gesehen; auch er hätte ohne seine Hilfe nicht aus den Labyrinthen herausgefunden. Nun habe er dank seinen Konjekturen, mit Berücksichtigung des griechischen Sprachduktus in der Übersetzung mit eigenen begründeten Vermutungen (divinatione quadam minime temeraria) aufgrund der Sprache des Übersetzers, wohl etwa alles instandgestellt, es sei denn, jener verlange einen eleganteren Stil. Auch das hätte er ihm gern hergestellt, wenn er den griechischen Hermes gehabt hätte. In einem andern Werk hätte er so findig sein wollen, wo das zu etwas geführt hätte und er Fehler eines Druckers verbessert und Unklarheiten eines Übersetzers geklärt hätte. Die Sprache den Regeln eines korrekten Lateins anpassen habe er nicht wollen und hätte er in dieser Zeit auch nicht können. Zu der öffentlichen Beanspruchung käme noch private Arbeit: an der Ausgabe der byzantinischen Historiker. Er sende ihm also den Text zurück, da er von Eigenem ihm nichts zum Neujahr senden könne. Ernsthaft aber empfehle er ihm, den 'Hermes', würdig der Lektüre aller Astrologen, drucken zu lassen, wegen seines Inhalts, ungeachtet seines allen Arabern eigenen rohen Stils und voraussichtlicher Kritiker. Diesen sei eigen, Ungelesenes und Unverstandenes herunterzumachen. Fehler einzelner Betrüger lasteten sie der Astrologie selber an, wie einst Lykurg wegen der Trunkenheit des Volkes die Reben und statt derer, durch göttliche Strafe geblendet, seine eigenen Schienbeine zerschnitten haben solle. Auch Haintzel und er hätten die heiligen Schriften, die Philosophie gelesen, nebeneinandergehalten und die Gründe der Ankläger und der Verteidiger gegenübergestellt. Nur würden jene sich von Gott auserwählt meinen. Sie sollten, statt ihrer Haarspaltereien, sich gegen Epikureer und Ähnliches wenden. Er, Haintzel und ihresgleichen würden der Astrologie nicht mehr Rechte zugestehen, als die Religion, das Bewusstsein der Nichtigkeit alles Menschlichen, die Wahrheitsliebe zuliessen. Aber das würden die Wenigsten erkennen, von der Sonne geblendet oder von Wolken in der Sicht behindert. Doch die Astrologie würde es ihm danken, wenn er ihren Zögling Hermes ans Licht brächte, was er, so wie er seine Grosszügigkeit kenne, gewiss gern tun werde. Er selber wolle dabei ebenfalls helfen: er werde mit dem vorzüglichen Heinrich Petri, der an diesen Studien sehr interessiert sei, verhandeln und sicher leicht erreichen, dass statt seines einen tausend 'Hermesse' in schöner neuer Gestalt ans Licht der Öffentlichkeit träten. In der Zwischenzeit werde er fleissig an Ptolemaeus-Kommentaren arbeiten, damit sie "nicht viel später", allem Vorurteil zum Trotz, bezeugen könnten, dass sie nicht aus eigener Schuld, sondern wegen der Sorglosigkeit der Drucker und der Fehler der Übersetzer so lange vergessen und in Dunkel und Staub gelegen hätten. - Sie stehen in unserer Ausgabe dem Hermes voran...

K i I 12 Nr. 2

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Ki I 12:2

Illustrationen

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Titelseite

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3ar: Vorrede des Druckers Heinrich Petri an den Leser, datiert von Basel, den 1. September 1559, 1. Seite.

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3av: Vorrede, 2. Seite.

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1Ar: Erste Seite des Kommentars zu Ptolemaeus.

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Letzte Textseite mit Kolophon.

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Druckermarke von Heinrich Petri.