GG 326

De re Medica huic volumini insunt, Sorani Ephesij Peripatetici, & vetustissimi Archiatri, in artem medendi Isagoge, hactenus non visa. D. Oribasii Sardiani fragmentum, de victus ratione, quolibet anni tempore utili, antea nunquam aeditum. C. Plinii Secundi de re medica libri V accuratius recogniti, & (nothis ac pseudepigraphis semotis) ab innumeris mendarum millibus, fide vetustissimi codicis repurgati. L. Apuleii Madaurensis, philosophi Platonici, de herbarum virtutibus, vere aurea & salutaris historia, e tenebris eruta, & a situ vindicata. Accessit his vice coronidis, Libellus utilissimus de Betonica, quem quidam Antonio Musae, nonnulli L. Apuleio adscribendum autumant, nuper excusus... Basel: Andreas Cratander August 1528. Fol.

In diesem Sammeldruck, immer noch einem der ersten Basler und damit allgemein deutschen Drucke mit griechischer und römischer medizinischer Literatur, hat der Basler Arzt Albanus Torinus lateinische und aus dem Griechischen lateinisch übersetzte Schriften zu den drei Sparten der Medizin - Diätetik, Pharmazeutik, Chirurgie - vereinigt. Davon erscheint die, wie auch andere Schriften, nur in lateinischer Übersetzung erhaltene kurze Einführung in die Medizin des durch sein Werk über Frauenleiden berühmten Arztes Soran aus Ephesus aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. hier zum erstenmal im Druck, sogar als erster Sorandruck überhaupt. Das selbe gilt für das Oribasius-Fragment über die Nahrung, während die pseudo-plinianische Schrift über die Medizin zuvor schon 1509 - sehr fehlerhaft und ebenso in den Nachdrucken von Bologna 1516 und Paris 1528 - und das pseudo-apuleianische Herbarium sogar schon um 1481 einmal in Rom und ebenfalls 1528 in Paris erschienen waren, hier aber auch erst Zweitdrucke und nach anderer handschriftlicher Quelle verbessert sind. Ebenfalls die kleine Schrift des römischen Arztes Antonius Musa aus der Zeit des Kaisers Augustus über die Heilpflanze Betonica (Vettonica, Betonie) scheint hier zum erstenmal gedruckt zu sein, und so weist denn auch der Sammler und Herausgeber der fünf Schriften und Fragmente Torinus in seiner Widmung von Basel, den 30. August 1528, an den damals schon in Pruntrut residierenden Bischof von Basel Philipp von Gundelsheim dankbar auf die Kollegen u.a. in Strassburg und Frankfurt hin, die ihm durch die Überlassung von Handschriften die Ausgabe ermöglicht haben; Echtheitskriterien der einzelnen Schriften, die medizinische Fachsprache und Quellenangaben sind ihre Hauptthemen. Bei seiner Wahl zum Bischof im Vorjahr hätten ihm viele Geschenke gebracht, beginnt Torinus: Hunde, Hirsche, Pfauen, Fische, Pferde, Wein, einen Possenreisser, Kunstwerke aus Gold und Silber. Nicht einfach, weil er Bischof geworden sei, den alle achteten, sondern weil er alle Geistlichen Deutschlands unstreitig übertreffe - und dann zählt Torinus abkürzend diese fünfzehn Eigenschaften auf. Alle machten Freudensprünge und jubelten im Vertrauen darauf, dass seine Hoheit die zerfallene Frömmigkeit wieder herstelle. Da habe er traurig nach einem Geschenk gesucht, auch wenn dieses ohne praktischen Nutzen sei. Ein altes Mittel, Wohlwollen zu gewinnen, habe er entdeckt: besonders geschätzte Männer mit einem Denkmal eigener Studien zu begrüssen, wodurch die Begrüssten ihre Wertschätzung und daraus die Unsterblichkeit ihres Ruhmes erkennten und die Schriften wiederum an Gewicht gewännen. So habe Plato seine Dialoge nach den Personen Timaeus, Critias, Phaedo genannt, Aristoteles eine Rhetorik und seine Schrift über die Welt (die heute als Werk des Anaximenes, ebenfalls Lehrers Alexanders geltende Rhetorica ad Alexandrum und die früh wohl als Fälschung bewusst unterschobene Schrift De mundo, die unter den Schriften des Aristoteles überliefert, damals noch unbezweifelt als echt galten), ähnlich Galen, Rhazes, Varro, Cicero, Erasmus von Rotterdam und andere. Nach dieser Sitte habe er seiner Hoheit ein göttliches Werk widmen wollen, welchem Vorhaben Andreas Cratander, zum fehlerlosen Druck der besten Autoren geboren, mit seiner Bitte ihm gelegen gekommen sei, diese ungeheuerlich entstellten medizinischen Autoren vor Schmutz und Untergang zu retten zu versuchen. Das habe seine Freude an der Arbeit vermehrt. Die Widmung bringe ihm, Torinus, Ruhm, Schutz, und zudem sei er der einzige Bischof, der sich um die Vertreter der Wissenschaften verdient mache und sie fördere, wie dies, im Gegensatz zu den gegenwärtigen, einige der ersten Bischöfe getan hätten. Hätte Deutschland doch zehn solche Bischöfe, durch deren Gunst und Freigebigkeit die Wissenschaft dem Dunkel entrissen würde. Solle man nicht, nach dem volkstümlichen griechischen Senar (immemores graecanici huius senarij & popularis cantilenae), dass die Gesundheit das höchste Gut im Leben sei, nicht alles andere hintanstellen und sich um deren Bewahrung bemühen? Wo sogar die vernunftlosen Tiere für Arzneien für sich und die Ihren sorgten? Und der Mensch? Und die Hochgestellten, fernab der Menge, auf deren Klugheit sich viele stützten, von der die Staaten geleitet würden? Darum habe er ihm passend diese Medizinbücher gewidmet, zur Bewahrung und Wiedergewinnung der Gesundheit. Er habe sich bemüht, seinen mit allem reich ausgestatteten Hof in den drei Sparten der Medizin - Diätetik, Pharmazeutik und Chirurgie durch einen Arzt mit praktischer Erfahrung und klugem Urteil (medico tam experimentis docto, quam iudicio solerti) zu bereichern. Denn ein Arzt gelte, mit Homer, so viel wie viele andere Menschen. Von Soran, der zur Zeit Trajans und Hadrians in Rom gewirkt habe, sei - wie von vielen andern Autoren - alles verloren ausser der hier vorliegenden Einführung (sein Hauptwerk, die Frauenleiden, ist erst im 19. Jahrhundert wiedergefunden worden, von allem andern sind auch heute nur Fragmente bekannt; die hier vorliegende Einführung ist griechisch ebenfalls verloren). Wenn etwa jemand sie Soran absprechen wolle, müsse er wenigstens zugestehen, dass der Autor sehr alt und keineswegs zu verachten sei. Er erwähne manches, das sonst bei niemand - soweit erhalten - überliefert sei, und das den heutigen Ärzten selten und ungewöhnlich scheine. Durch fremde Schuld werde er weniger geschätzt werden, vor allem durch die des Übersetzers oder die Fehler, von denen er unzählige, aber wohl nicht alle beseitigt habe. Das wäre ohne Hilfe einer fehlerloseren Vorlage (exemplar hier somit eine Handschrift) unmenschlich gewesen. Seine einzige sei ungeheuerlich verderbt gewesen, oft wären ganze Zeilen ausgelöscht gewesen, dass man manches gleichsam habe riechen und aus Spuren von Buchstaben und Buchstabenzipfeln habe mutmassen (coniecturari) müssen, was er allerdings, wenn nicht elegant, so doch umsichtig und gewissenhaft getan habe. Galen erwähne diesen Soran in De sectis, den ihm der Stadtarzt von Strassburg Nicolaus Capito (Köpfel) aus seiner Bibliothek beschafft habe (aus Strassburg war auch Paracelsus zu Beginn des Jahres 1527 nach Basel gekommen, Torinus gehörte mit Oporin und Basilius Amerbach - gest. 1535 - zu seinen Hörern, allerdings ohne sein Anhänger geworden zu sein, wie dann später Vesals; im Februar 1528 war Paracelsus wegen einer Gehaltstreitigkeit schon aus Basel nach Colmar geflüchtet; haben wir in diesem Jahr die Forderung - oben - von Erfahrung und Urteilsfähigkeit für einen guten Arzt als stillgeschwiegene Kritik an Paracelsus zu verstehen?). Auf Oribasius wolle er hier nicht näher eingehen, von dem er nur ein Fragment bringe. Er habe die Blüten der alten Ärzte geherbstet (sein nächster Druck erschien, zusammen mit der antiken lateinischen Übersetzung seiner Schrift über akute und chronische Krankheiten von Caelius Aurelianus,1529 ebenfalls in Basel, bei Heinrich Petri [GG 350]). Was die Schrift des Plinius betreffe, so sei, nach der Meinung einiger, deren Geist dem Stil und Charakter des Plinius gänzlich fremd. Er meine, dass ein guter Teil des Werkleins sich selber schon als nicht plinianisch erweise, ebenso aber Gewisses darin eindeutigst von ihm stamme. Er glaube, dass irgendein Rhapsode es in dessen Naturgeschichte gesammelt und hier zusammengestellt habe. Dann sei (was Plinius mit den übrigen alten Autoren gemein habe) in dessen eigenem Text viel Unterschobenes, das des Plinius unwürdig sei, eingestreut worden (die unter dem Namen des jüngeren Plinius überlieferte Schrift gilt heute als Kompilation aus der Naturgeschichte des Oheims, so dass Torinus mit seiner Theorie einer Mischung von Echtem aus Plinius mit Fremdem und Unterschiebungen schon recht genau den Tatbestand getroffen hat). Er habe in dem Masse nichts gestrichen, wie einiges dank einer alten Handschrift hinzugekommen sei (gegenüber dem Erstdruck und seinen Nachdrucken: zu 2,18 weist er auf eine Lücke im Römer und im Pariser Druck, den er somit auch schon beigezogen hat, und zu 3,49 auf eine gemeinsame falsche Lesart im Römer und Bologneser Druck hin). Und es scheine nicht einfach abzulehnen, was nicht von Plinius sei, da manchmal ein Gemüsegärtner sehr Nützliches gesagt habe. Dennoch habe er das Unechte und Pseudepigraphe vom Echten und Nützlicheren geschieden, indem er es mit obeliskoi (wie zwischen Schranken) bezeichnet und, damit nichts vermisst werde, an den Schluss versetzt habe. Ein Augiasgüllenloch habe er gereinigt! Der Römer Druck (Romanum exemplar), den ihm der hervorragende Naturforscher Christian Herbort als zusätzliches Hilfsmittel gesandt habe (seine Grundlage bildete somit eine Handschrift), sei voller Fehler gewesen. Die vorliegende Kräutergeschichte als Werk des Apuleius anzusehen veranlasse ihn Hermolaus Barbarus, der ihn mehrmals damit zitiere, ebenso einige andere, sowie einige auffällige Begriffe, die des Apuleius würdig seien. Damit die Wirkkraft der Kräuter deutlicher hervortrete, habe er die Namen aus so vielen Sprachen zusammengestellt, wohl aus dem Grund, dass, wenn eine Sache durch die Namengebung eines Volkes zu wenig erkannt werde, sie durch die spezifische Namengebung eines andern deutlicher hervortrete. Er habe zwei sehr alte Handschriften (exemplaria) benützt, deren eine ihm der Leibarzt des Markgrafen von Baden Theodor Fettich zur Verfügung gestellt habe, eine lücken- und fehlerhafte (1526 hatte Johannes Sichard den Wormser Fettich als Leibarzt Ludwigs von der Pfalz gekannt, als er ihm - und Erasmus - Zugang zu Handschriften der Bibliothek des ehemaligen Bischofs von Worms Johannes von Dalberg auf Schloss Ladenburg bei Heidelberg verschafft hatte), die andere der Frankfurter Stadtarzt Cosmas, nicht so verstümmelt, aber umso verderbter. Er habe den Text mit grossem Fleiss zwar nicht von allen, was ohne zuverlässige Vorlage (codex: hier Handschrift) zumal zur Klepsydra der Pressen nicht möglich gewesen sei, so doch gewiss von unzähligen Tausenden von Fehlern gereinigt; einiges habe er hinuntergeschluckt und andern auszumerzen überlassen. Bei sehr vielem, das nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Laien formuliert sei (weniger im Apuleius als bei den andern), habe er ein Auge zugedrückt, was, wie er festgestellt habe, grosse Autoren hin und wieder getan hätten, so etwa Juvenal und Martial mit der Form phrenesis statt phrenitis (Juv.14,136), auch pleuresis für pleuritis und ähnliches. Es erschienen hier also chironische Schriften, die teils von ihm ausgegraben, teils nach besten Kräften gereinigt seien, feiner und zugleich grossartiger durch die Arbeit Cratanders, und unter günstigen Vorzeichen, wenn seine Hoheit das kleine ihm gewidmete Werk unter seinen Schutz nehme. Um 1527 hatte Johannes Sichard, wie Paul Lehmann einem Brief an Joachim Camerarius und einer Bemerkung des Apuleius-Herausgebers von Zürich 1537 Gabriel Hummelberger in einem Brief an Bilibald Pirckheimer entnommen hat, in Basel einen medizinischen Sammeldruck mit der lateinischen Übersetzung eines Werkes Sorans (die er dann 1529 bei Heinrich Petri herausgab) und den beiden Werken des "Plinius" und "Apuleius" (die natürlich auch er als echt ansah) herauszugeben geplant. Ob auch er dabei schon die selben Handschriften in Aussicht hatte, ob er irgendwie mit der Ausgabe des Torinus in Verbindung steht, ist nicht bekannt.

Exemplar aus Besitz Johann Heinrich Pantaleons, dann von dessen jüngerem Bruder, dem Basler Arzt Maximilian Pantaleon, dann Remigius Faeschs, in Einband der Druckzeit zusammengebunden mit Cratanders Hippokratesdruck von 1526: L e I 2 Nr. 2

Nachtrag:

Als vermeintliches Vorwort fanden Kopie und deutsche Zusammenfassung des unten folgenden Nachworts des Torinus zu seiner medizinischen Sammelausgabe von 1528 nicht mehr rechtzeitig zu ihrem Druck zurück, sondern erst jetzt, als der Text sich bei erneuter Suche zu den ersten Vorbereitungen einer Ausstellung zum 500. Geburtstag des Paracelsus im kommenden Jahr eben als zusätzliches Nachwort an den Leser vom selben 30. August 1528 herausstellte: Als jüngst Andreas Cratander, ein geschickter und gelehrter Mann, die grösste Zierde unter den Druckern, die hier vorliegenden medizinischen Autoren zu drucken beschlossen oder zumindest geplant und festgestellt habe, dass sie so grauenhaft entstellt seien, dass er, der Leser, nicht einmal eine Zeile, ja kaum jedes zweite Wort ohne Anstoss hätte lesen können, die Autoren aber für wert gehalten habe, dass nicht nur alle sie läsen, sondern sie Tag und Nacht läsen, sie nie aus der Hand legten, sei es wegen ihrer Gründlichkeit, sei es wegen der enthaltenen Blüten aus jeder Sparte der Medizin, da habe er ihn, Torinus, als in die göttliche Kunst Eingeweihten, bearbeitet, ihrer aller Aristarch zu spielen. Aus Liebe zur Kunst und Achtung für den Freund habe er sich als Margites unüberlegt selber einen engen Ring angelegt. Denn diese aristarchische Arbeit, wohl zu schwer für seine Schultern, habe er, ob unter guten oder schlechten Vorzeichen, jedenfalls zu seinem grossen Schaden auf sich genommen. Die Autoren seien in den alten Vorlagen so voller schlimmster Fehler gewesen, dass ihre Reinigung an Schweiss der des Augiasstalls gleichgekommen sei. Wie viele Ungeheuer habe er erstechen müssen! Er könne beschwören, dass deren Kopisten nicht ein Wörtlein verstanden hätten, so durcheinander sei alles gewesen, ohne alle Trennungszeichen (sine diastolis & punctis). Wenn er, der Leser, erkenne, auf wie viele Nachtwachen ihn diese einigermassene Wiederherstellung zu stehen gekommen sei, werde er seinen Verdienst zu schätzen wissen. Wenn er jetzt einen guten Teil ohne Anstoss lese, beruhe das nicht auf Verständlichkeit der Vorlagen; vielmehr sei nichts nicht verunstaltet gewesen, schon bei den einzelnen Silben habe man stocken, überall Anstoss nehmen müssen. Er gäbe viel darum, dass irgendein Leser, geschweige denn ein Pedant oder Sykophant, die verwendeten Vorlagen zur Verfügung haben könne, um durch eine Kollation gnädiger sein zu lernen und die in so kurzer Zeit durchgeführten Arbeiten wahrzunehmen. Denn diese ganze Arbeit habe er entsprechend der Eile der Pressen in zwei Monaten, trotz zahlreichen anderen Aufgaben und häuslicher Sorge zur Verbesserung abgeschrieben (anders hätten die unzähligen Fehler nicht ausgemerzt werden können), was bei einem Müssigen fünf Jahre erfordert hätte. Wenn Musse und Zeit nicht gefehlt hätten, wären die Werke wohl noch fehlerfreier ans Licht gebracht worden, was ohne Hilfe korrekterer Vorlagen (exemplaria) eine schmerzhafte Sache geworden wäre. Den Rest, zu den einzelnen Büchern, finde der Leser ausführlicher im Widmungsbrief. Das zweite Exemplar: L f II 8 Nr. 1.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Le I 2:2

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Vorrede des Herausgebers und Arztes Albanus Torinus, dem Bischof von Basel Philipp von Gundelsheim am 30. August 1528 gewidmet, 1. Seite

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Vorrede, 2. Seite

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Vorrede, 3. Seite

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Vorrede, 4. Seite

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Kolophon