GG 361

Aëtii Amideni quem alii Antiochenum vocant medici clarissimi libri XVI, in tres tomos divisi, quorum primus & ultimus Ioanne Baptista Montano Veronensi medico, secundus Iano Cornario Zviccaviensi, & ipso medicinae professore, interpretibus latinitate donati sunt. In quo opere cuncta quae ad curandi artem pertinent congesta sunt, ex omnibus qui usque ad eius tempora scripserant, diligentissime excerpta... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius August 1533 (mittlerer Teil) und August 1535 (T. 1 und 3). Fol.

Aëtii Antiocheni medici de cognoscendis et curandis morbis sermones sex, iam primum in lucem editi, Interprete Iano Cornario Zviccavien. Medico... De ponderibus & mensuris, ex Paulo Aegineta, eodem interprete. Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius August 1533. Fol.

Recht verschlungen sind die Erscheinungsweisen der Erstdrucke des grossen medizinischen Sammelwerks, das der byzantinische Hofarzt im Range eines Comes obsequii Aëtios aus Amida in Mesopotamien (1. Hälfte 6. Jh.) nach dem Vorbild seines Zeitgenossen Oreibasios im Anschluss an Galen in 16 Büchern bzw. 4 Tetrabibloi verfasst hat: Im August 1533 erschien in Basel als erster Aëtiusdruck überhaupt der mittlere Teil, nach einer fragmentarischen Handschrift übersetzt vom aus Zwickau stammenden Arzt Ianus Cornarius; im September 1534 erschien in Venedig bei Aldus Manutius der griechische Erstdruck der ersten acht Bücher, und ebenfalls 1534 erschien in Venedig bei Lucantonio Giunta das gesamte Werk in lateinischer Übersetzung in drei Bänden: Bücher 1-7 und 14-16 in Erstübersetzung des berühmten Veroneser Arztes Giovanbattista Montano, Bücher 8-13 als durchaus nicht verheimlichter Nachdruck der Basler Übersetzung des Cornarius von 1533. Und schliesslich geben Froben und Episcopius ihrem notgedrungenen Teildruck vom August 1533 im August 1535 die beiden fehlenden Teile als Nachdruck der Venezianer Ausgabe bei, auch sie korrekt unter voller Nennung des fremden Übersetzers. Erwähnenswert ist aber auch noch ein Hinweis der Drucker auf der Rückseite des Titels von 1533, dass man nach Abschluss des Drucks dieser sechs Reden noch die Rede 1 und die vier folgenden erhalten habe; wenn der vorliegende Druck gut aufgenommen werde, werde man auch diese übersetzen lassen und drucken; man hoffe sogar, auch den Rest noch bekommen und veröffentlichen zu können: offenbar haben Froben/Episcopius selber sich auch noch um Handschriften bemüht, und nicht ohne Erfolg. Die Bücher 9-16 hingegen sind griechisch erst zu Ende des letzten und, mehrheitlich, zu Beginn unseres Jahrhunderts einzeln erschienen.

Cornarius hat seine Übersetzung von seiner Heimatstadt Zwickau aus (in der er sich erst zuletzt länger aufhielt) am 1. September 1532 Kaiser Karl V. gewidmet. Gleich zu Beginn der Widmung, die er zu einem Plaidoyer für eine seriöse Medizin an den Regenten benützt, weist er darauf hin, dass von allen menschlichen Künsten das Erkennen und die Behandlung der Krankheiten des menschlichen Körpers die schwierigste sei, und dass es darum verwundere, dass so wenige unter den Lehrern der Medizin diese riesige Schwierigkeit zu bewältigen suchten, sondern die meisten unter ihnen den ganzen Tag herumliefen, den Kranken Mittel aus den Apotheken besorgten und die Heilung versprächen, auf die Frage nach dem Leiden eines Kranken diese grossen Anpreiser ihrer Kunst aber nichts anderes zu antworten wüssten, als er sei krank. Andere wieder sehe man, durch ihr Alter oder lange Tätigkeit für erfahren gehalten, durch ihren Wortschwall und ihr Gestikulieren erreichen, dass ein anderer beigezogener Arzt (in reichen Städten würden manchmal bis zu zehn Ärzte gleichzeitig beigezogen), der ruhig überlege und wortkarg sei, nichts gelte, so dass die ignorante Unverschämtheit beim Volk in Ehren stehe und noch belohnt werde, besonders wenn der Kranke zufällig durch sein Vertrauen in den Arzt genese. Schon Hippokrates habe gesagt, dass der Arzt mehr Kranke heile, in den mehr Kranke vertrauten. Ein Arzt müsse freilich rasch handeln, aber nicht kopflos ohne vorher die Krankheit zu erkennen, da sonst eine Krankheit vielleicht kurzfristig gelindert werde, aber danach umso heftiger, auch in anderer Form, wiederkomme. Hiergegen schütze sich ein Kranker, der einen Arzt beiziehe, der durch Überlegung aus der vorangehenden Lebensweise und den momentanen Umständen sein Vorgehen abzuwägen suche (diaeta - instantes accessiones). So könne er in der Behandlung nicht fehlgehen, obwohl er nicht allen helfen könne, was über menschliche Kräfte ginge. Nun aber befleissigten sich ganze Massen an den Universitäten dieses Studiums, wie wenn es das leichteste wäre, und irrten dann, im einen oder andern Heilmittel ausgebildet, durch die Dörfer und Städte, nicht nur auf unser Geld aus, sondern indem sie auch die Körper in unbekannte Gefahren brächten. Ein Baum zum Aufhängen wäre gut, wenn man in nordischen Städten zu grossem Unheil Weiblein behandeln und bis zum Doktortitel aufsteigen sehe, so dumm sei das Volk. Diese Menge von Heilern führe dazu, dass das Volk die Krankenpflege als eitles Zeug ansehe, obwohl doch gerade von den gelehrtesten der griechischen Ärzte her - die als erste die Medizin beschrieben und vollendet hätten - feststehe, dass die Pflege (curativa) der schwierigste Teil der Medizin sei. Sie sei der Ertrag und das Ziel der Kunst, obwohl auch ein Arzt, der nur die Natur erforsche, für gelehrt zu gelten habe, besonders wenn er diese Erkenntnisse auch durch Lehre und Publikationen weiterverbreite. Dieses Erkennen und die Behandlung der Krankheiten aber sei im Werk keines Arztes so verständlich enthalten wie in dem des Aëtius von Antiochia, aus eigener Überlegung, aus eigener Erfahrung und aus den Erkenntnissen der besten älteren Ärzte, so dass, wer ihm folge, in der Diagnose und der Behandlung nicht fehlgehen könne. Überall bespreche er die Ursachen, Umstände und Folgen; nichts fehle. Er gebe die einfachen und die gemischten Heilmittel an, die Art der Mischungen, aber auch nirgends zu breit. Was er Galen entnommen habe, biete er klarer, knapper - attischer (magis attikōs), während jener oft asianisch weitschweifig sei. Daher habe er, als ihm diese sechs "Reden" aus dem Gesamtwerk, das jener Tetrabiblos (Viererbuch) genannt und in fünfzehn Reden gegliedert habe, in die Hände gelangt seien, nicht gezögert, den Schatz dieser sechs Bücher der Verborgenheit zu entreissen, zumal ihre Lektüre auch ihm sehr genützt habe und jeder Arzt daraus Nutzen ziehen dürfte. Zudem seien die Namen und Gewichte der Heilmittel, die jetzt völlig verfälscht durch barbarische und arabische Namen bei Mesuas und Nicolaus überliefert seien (s. zum Druck des Nicolaus Myrepsus von 1549 [GG 371]), aus denen die Arzneihändler ihre sogenannten luminaria ausgezogen hätten (Öllämpchen, wohl als Titel: Lichtbringer oder ähnlich), von denen nicht einmal ein Zehntel stimme, hier richtig überliefert. Aus diesen Schriften der alten Griechen müssten die öffentlichen Apotheken der ganzen Welt berichtigt und wiederhergestellt werden (hier denkt er wohl an die Erstellung städtischer oder anderweitiger offizieller Pharmakopöen). Dazu müssten die Zusammensetzungen der Heilmittel, die aus arabischen Ärzten schlecht lateinisch herausgeschrieben seien, von guten gelehrten Ärzten anhand der griechischen Schriften berichtigt werden, obwohl schon diese im Laufe der Zeit oft fehlerhaft weiterüberliefert worden seien. So habe er auch hier nach einer von Schmutz und Motten angefressenen Vorlage mit viel Mühe den griechischen Autor gewissenhaft berichtigt und möglichst nahekommend und lateinisch übersetzt, ohne ungebräuchliche oder veraltete Wörter - wie heute an den Universitäten (scholae) verbreitet - und soweit möglich mit reinen lateinischen anerkannten medizinischen Begriffen. Hippokrates, Nikander, Dioskorides, Galen, Paulus von Aegina, Celsus und Plinius hätten ihm dabei viel geholfen, wie auch durch Aëtius nun bei jenen Stellen wiederhergestellt werden könnten. In der Folge datiert er Aëtius, vor Paulus Aegineta, zur Zeit Kaiser Julians und des Oribasius. Er sei Christ gewesen. Die erhaltenen sechs "Reden" habe ihm der bekannte Professor der drei Sprachen Matthaeus Aurogallus aus der Bibliothek der vornehmen böhmischen Familie der Hasistenius besorgt. Zur Veröffentlichung und Übersetzung habe ihn ausser dem allgemeinen Nutzen vor allem der Umstand veranlasst, dass der unsterbliche Bohuslav Hasistenius für diese seine Bibliothek die besten griechischen und lateinischen Autoren in Griechenland, Asien, Zypern und Kreta fleissig zusammengesucht und für viel Geld erworben habe, um sie so vor dem Untergang zu retten, und dann, ein unschätzbarer Verlust für die Wissenschaft und alle studiosi, die Bibliothek und mit ihr über zweitausend Bücher in Flammen aufgegangen und zugrundegegangen seien, unter ihnen auch die übrigen Reden des Aëtius (Bohuslaw Lobkowitz von Hassenstein, Staatsmann, Rechtsgelehrter, Humanist, neulateinischer u.a. adel- und kirchenkritischer Dichter, 1462-1510, hatte in Italien 1475-1482 Sprachen und Rechte studiert, nach hohen Staatsämtern 1490-1495 Kreta, Zypern, Rhodos, Konstantinopel, Kleinasien, Arabien - von der geplanten Fortsetzung nach Indien haben ihn Kaufleute abgebracht - und Ägypten, Griechenland, Sizilien, wo er den Ätna bestieg, und Tunis - Karthago - bereist, nach dieser Reise weiter durch Agenten u.a. in Venedig und Kreta seine Bibliothek auf Schloss Hassenstein zur bedeutendsten Bibliothek Böhmens in jener Zeit gemehrt; 1525 ist sie dem grossen Brand von Komotau zum Opfer gefallen; Aurogallus - um 1490-1543 - war als junger Lehrer in seinen Kreis gezogen worden, dann seit 1521 in Wittenberg als Professor für Hebräisch tätig). Schliesslich begründet Cornarius die Wahl der Widmung: als er diese sechs auf seine Bemühungen hin erhaltenen und auf seine Kosten übersetzten Bücher habe herausgeben wollen und seine Stellung als letzter unter den Professoren der Philosophie, der Sprachen und der Medizin bedacht habe, habe er deswegen nur geringen Dank erwartet, so gross auch seine Gabe für die Medizin sei. Das sei der Grund seiner Widmung an den Kaiser. Ihn wolle er hiermit und auch in Zukunft mit den übrigen Schriften des Aëtius oder andern medizinischen Werken, die er abgeschlossen in Händen habe, ehren. - Der Widmung folgt noch ein Epigramm des Jacob Micyllus, in dem das Buch den Leser zur Lektüre einlädt und Cornarius preist.

Neuerwerbung 1989: Rc 109 (ein zweites, 1926 erworbenes Exemplar, enthält nur die Teile 2 und 3, d.h. die "Reden" 8-16: L f II 16).

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Lf II 16 | Rc 109

Illustrationen

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Titelseite von Bd. 1.

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5AAr: Index zum 1. Bd., 1. Seite.

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1ar: Erste Textseite von Bd. 1.

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Kolophon (Bd. 1).

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Druckermarke der Officina Frobeniana (Bd. 1).

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Titelseite von Bd. 2.

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2alphar: Vorrede zum 2. Bd. des Herausgebers Janus Cornarius an Kaiser Karl V., datiert von Zwickau, den 1. September 1532, 1. Seite (von 6).

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1ar: Erste Textseite von Bd. 2.

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5Ov: Kolophon (Bd. 2).

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6Ov: Druckermarke der Officina Frobeniana (Bd. 2).

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1alphar: Index aller drei Bde., 1. Seite.