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Adamantii sophistae Physiognomicon, id est De Naturae Indicijs cognoscendis Libri duo, per Ianum Cornarium Medicum Physicum Latine conscripti. Iani Cornarii Medici Physici, Professoris scholae Marpurgensis, De Utriusque Alimenti Receptaculis Dissertatio, contra quam sentit Plutarchus. Plutarchi Chaeronensis Philosophi Loci duo, ad idem argumentum pertinentes, sed reprobati. Adamantii etiam exemplar Graecum est adiectum. Basel: Robert Winter 1544. 12°.

1540 war in Paris bei Conrad Néobar zum erstenmal die Physiognomik des jüdischen Arztes Adamantios aus Alexandria aus dem 4. Jahrhundert im griechischen Original erschienen, eine an Kaiser Constantius gerichtete Epitome der Physiognomika des Rhetors Polemon aus der Zeit Hadrians in zwei Büchern (eine meteorologische Schrift des Adamantios wurde erst im letzten Jahrhundert entdeckt). Drei Jahre später erscheint hier die erste lateinische Übersetzung, der der griechische Text verbessert beigegeben wird. Nochmals zwei Jahre später erscheint 1545 in Rom ein letztes Mal bis 1780 der griechische Text, im Anhang an die griechischen Erstdrucke der Bunten Geschichte Aelians und der Physiognomik Polemons selber.

Der Übersetzer Janus Cornarius, Professor der Medizin an der Universität Marburg, hat den Druck am 1. September 1543 seinem Kollegen Johannes Dryander gewidmet, von dem er sich offenbar den griechischen Erstdruck zum Studium ausgeliehen hatte, denn gleich zu Beginn der Widmung erfahren wir, dass er ihn hiermit (d.h. in Form des neuen Basler Drucks mit seinem gedruckten Widmungsbrief) mit Zinsen zurücksende, denn bei der Lektüre habe er die Schrift, unter Beizug der Physiognomik des Aristoteles, der der Autor gefolgt sei, zugleich ins Lateinische übersetzt. Die Schrift werde das Verständnis des Aristoteles erleichtern wie dieser ihm geholfen habe, verderbte Stellen im Adamantios zu verbessern. Denn es wäre nicht ihres Gewerbes würdig, etwas allgemein Nützliches privat zu besitzen und nicht allen mitzuteilen. Auch zum Verständnis der Krankenphysiognomik des Hippokrates trügen diese Büchlein bei, vor allem zur Prognostik, die er gerade in ihrer Marburger Universität griechisch "lese" (d.h. in einer Vorlesung vortrage und erkläre), obwohl es hier weniger um Anzeichen der Natur als von Krankheitssymptomen gehe und Hippokrates hier richtiger von Symptomatognomik als von Physiognomik hätte sprechen sollen. Worauf Cornarius Beispiele des Hippokrates zu Auge, Gesichtsfarbe, Stimme usw. gibt, wobei man auf Gleichheit oder Abweichung vom gesunden Zustand achten müsse, und das könne nur, wer die Physiognomik des Gesunden beherrsche, durch die Sitten, Studien, Gedanken der Menschen aus Aussehen und Gestalt des Körpers und von dessen Gliedern erkannt würden. Denn dass der Geist vom Körper abhängig sei, zeigten laut Aristoteles die Betrunkenen und die Kranken. Wie umgekehrt in den Leidenschaften der Zustand des Körpers von dem der Seele abhänge. Das selbe gelte für die Tiere. Den griechischen Text habe er beigegeben, weil er selten sei und damit, wer dies vorziehe, die Schrift griechisch lesen könne. Und damit man sein Textverständnis und seine Übersetzung mit der von ihm benützten Vorlage vergleichen könne und sich nicht an fremden Tümpeln anstecken lasse. Wie Tümpel allen Dreck anzögen, so würden Kritiker aus den Tümpeln auftauchen und die von trefflichen Männern gereinigten Texte wieder verdrecken. Diesen Hinweis damit sie einsähen, wenn sie überhaupt etwas einsähen, dass sie vergeblich erwarteten, dass er einen solchen Dreckhaufen reinige, da dessen Gestank ihn verrate und schon der erste Anblick die Menschen zur Öffnung der Kloaken einlade, ohne sein Mitwirken als Richter oder Mahner, sich vor der unheilvollen Ansteckung durch den Dreck zu hüten. - Schliesslich: der Sophist Adamantios habe nach den von Philostrat Dargestellten gelebt und Beredsamkeit mit Philosophie vereint. Er habe auch eine Medizin geschrieben, wie Aetius zeige, der in Rede 8 Kap. 27 und 31 eine Zahnbehandlung aus Adamantios abgeschrieben habe. Dem Druck der kleinen physiognomischen Epitome ist eine eigene medizinische Schrift des Cornarius über die Aufnahme von Nahrung und Tranksame beigegeben, in der er sich gegen Plutarch wendet, der Platos Theorie gegen Chrysipp verteidigt hatte; ihr folgen die betreffenden Stellen aus Plutarch in Übersetzung des Cornarius. Den Schluss bildet der griechische Text des Adamantios. Diesen zweiten Teil des Druckes - richtiger: seine Dissertatio und die beiden Plutarchübersetzungen hat Cornarius, ebenfalls am 1. September 1543, dem Pädagogen und Gräzisten Jacob Micyllus (Molsheym), 1524-1533 und 1537-1547 Schulreformer und -rektor in Frankfurt, 1533-1537 als Nachfolger des Simon Grynaeus und 1547-1558 Professor für Griechisch in Heidelberg, gewidmet.

Neuerwerbung von 1953; ein Vorbesitzer: Boissonade: 1 s 735

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: ls 735

Illustrationen

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Titelseite mit Besitzervermerk eines Boissonade

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Vorrede des Herausgebers Janus Cornarius an Johannes Dryander, datiert von Marburg, den 1. September 1543, 1. Seite

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Vorrede, 2. und 3. Seite

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Vorrede, 4. und 5. Seite

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Vorrede, 6. und 7. Seite

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Anfang des 'Physiognomicon' von Adamantius