GG 397

Divi Ioannis Chrysostomi Archiepiscopi Constantinopolitani & divi Athanasii Alexandrini Archiepiscopi lucubrationes aliquot non minus elegantes quam utiles, nunc primum versae & in lucem aeditae per Des. Erasmum Roterod... Basel: Johannes Froben März 1527. Fol.

Ende August 1526 hatte Erasmus seinem langjährigen Freund Germanus Brixius (Germain de Brie), von dem soeben eine kleine Chrysostomus-Übersetzung in Paris erschienen war, dorthin geschrieben, dass in Basel kürzlich eine Gesamtausgabe des Kirchenvaters "mit grossem Pomp" vollendet worden sei: wohl die lateinische Ausgabe Andreas Cratanders in zunächst fünf, schliesslich sieben Bänden von 1522 (GG 390) bzw. 1525. Er werde nun, nach Abschluss der neuen Ausgabe der Annotationes zum Neuen Testament, einige bisher unübersetzte und von unbekannt übersetzte Schriften des Chrysostomus übersetzen. Er wolle der Ausgabe beigeben, was jener ihm gesandt habe, nicht ohne seinen Namen gebührend zu erwähnen. Später werde sich bei Froben die Gelegenheit zu einer feierlichen Gesamtausgabe geben; diese ist dann 1530 erschienen (GG 399). Unsere Ausgabe der "einigen Schriften" enthält auf der Rückseite des Titels das Inhaltsverzeichnis: zu den Schriften des Chrysostomus ist jeweils angegeben, ob sie schon ein Mal erschienen seien (in der Übersetzung des Erasmus) oder ob sie hier ganz neu - ohne Angabe des Übersetzers: von Erasmus, bzw. von Brixius übersetzt - erschienen (in der Vorrede kommt auch Erasmus darauf zu sprechen). Zu den Schriften des Athanasius ist vermerkt, dass nur echte enthalten seien und alle in Erstdruck. Gewidmet hat Erasmus den Gesamtdruck am 24. März König Johann III. von Portugal, die Schriften des Athanasius zuvor schon für sich am 3. März dem Bischof von Lincoln John Longland. In jenem Brief vom August 1526 hatte Erasmus noch mitgeteilt, dass er den Kommentar zur Apostelgeschichte erhalten habe, der eindeutig unecht sei, den echten zum Römerbrief (den er dann Brixius zur Übersetzung übergibt), den unechten und schon übersetzten zum Hebräerbrief, die vermutlich unechten zwei Homilien zum Philipperbrief, die er schon lateinisch herausgegeben habe (gerade im August 1526, mit dem griechischen Text [GG 396]), ausserdem die Schrift gegen die Juden (nun in unserm Druck lateinisch enthalten), etwa ein Dutzend noch unberührte Homilien, schliesslich solche zum zweiten Korintherbrief. Woher, durch wen und wie Erasmus zu dieser Handschrift gekommen ist, können wir aus seinen Äusserungen in zwei andern Briefen rekonstruieren: Am 1. Mai 1526 hatte er seinen flämischen Landsmann Leonard Casembroot - später mehrfach Bürgermeister seiner Vaterstadt Brügge - in Padua, wo dieser die Rechte studierte und als Präzeptor wirkte, gebeten, Hieronymus Froben (den älteren Sohn Johannes Frobens, seit 1520 Magister artium, Mitarbeiter in der Offizin) bei der "Jagd" nach alten Handschriften - "seu precio seu precario seu furto seu rapto": durch Kauf, Bettel, Diebstahl oder Raub, d.h. in ironischer Formulierung Handschriftenjagd um jeden Preis - behilflich zu sein. Er fördere damit die Wissenschaften und verpflichte sich dankbare Menschen. Der junge Froben (1501-1563) hat Erfolg gehabt, und zwar, was den Chrysostomus betrifft, im Padua nahen "griechischen" Venedig; Im März 1527 weiss Erasmus, dass ausser ihm an seiner Handschrift aus Venedig auch Jacob Faber (Lefèvre d'Etaples) in Paris die Apostelgeschichte übersetzt, und berichtet diesem von seiner kürzlichen Ausgabe - der hier vorliegenden - und von den Texten, die er noch besitze, u.a. den Kommentaren zum Römer- und zu den Korintherbriefen (deren Übersetzung dann 1533 [GG 400] bzw. 1530 erschienen sind). Die von Hieronymus Froben ergatterte und hier und für die grosse Ausgabe von 1530 von Erasmus verwendete Handschrift aus Venedig stammt aus dem 11. Jahrhundert, befindet sich seit 1604 in der Bodleian Library in Oxford und ist dort von Henry Savile für die 1610-1613 in Eton erschienene erste und beste abgeschlossene griechische Chrysostomusausgabe verwendet worden. Der Mangel an griechischen Chrysostomus-Handschriften wurde im 16. Jahrhundert allgemein beklagt.

Erasmus beginnt seine feierliche Widmung von Basel, 24. März 1527 an den jungen, begabten König Johann von Portugal (III., 1502-1557) mit einem Lob seines Vaters Manuel (der Grosse, 1469-1521), der acht Völker Afrikas unterworfen, die Piraten unschädlich gemacht und dem Handel den Seeweg nach Indien gesichert habe, und Johanns für seine Reorganisation des Reiches, seine Bildung in Griechisch und Latein unter anderem durch Lodovicus Teixeira (Luis de Teixeira, bis 1516 Professor der Rechte in Ferrara, 1516-1534 wieder in Portugal), mit dem er von Italien her befreundet sei. So widme er ihm, was für seinen Vater bestimmt gewesen sei. Es sei eine sehr alte griechische Handschrift aus Italien hierher gesandt worden, in der er mehrere Reden des Chrysostomus festgestellt habe, die noch niemand bisher übersetzt habe und deren Publikation die christliche Sache verdiene. In der Aufzählung der Schriften weist Erasmus sodann bei derjenigen über das Priesteramt darauf hin, dass er sie vor zwei Jahren griechisch herausgegeben und dass Germanus Brixius sie auf seinen Anstoss hin kongenial übersetzt habe. Er hätte noch weitere Schriften des Chrysostomus gehabt, doch seien sie zu umfangreich, als dass er sie jetzt hätte bringen können, durch so viele andere Aufgaben zersplittert, dass er bei der Übersetzung der vorliegenden manchmal zum Diktieren habe Zuflucht nehmen müssen. Doch sie würden bald folgen. Worauf Erasmus ein Lob des Lebens, des Stils und der Schriften des Chrysostomus und des Königs anschliesst, der dazu beitrage, die Grenzen des Christentums zu erweitern, Türken und Juden zur Verherrlichung Gottes zu bringen. - Die Zitate aus der Bibel habe er nach der griechischen Fassung der Handschrift übersetzt, die nicht nur der Septuaginta, sondern auch der Ausgabe Aquilas, des Symmachus und Theodotions (drei nur in Fragmenten erhaltene jüdisch-griechische Übersetzungen des Alten Testaments) zu folgen scheine. Die lateinische Überlieferung habe oft im Sinn nicht gepasst, im Alten noch öfter als im Neuen Testament. Wegen der Zitate bei den griechischen Kirchenvätern sei es eben nötig gewesen, die griechische Fassung des Neuen Testaments lateinischen Ohren zugänglicher zu machen, was er vor längerer Zeit unter grösstem Geschrei der Reklamierer, doch zu gewaltigem Nutzen der Lernbegierigen - 1516 - getan habe. Für das Alte Testament sei es noch dringender. So klafften in den bisherigen Übersetzungen des Cyrillus, Chrysostomus und Theophylactus die nach der Vulgata übersetzten Zitate und der Text lächerlich auseinander, aber ebenso dumm wäre es, nun die Zitate bei den lateinischen Kirchenvätern nach seiner Übersetzung des Neuen Testaments korrigieren zu wollen.

Der Widmung folgt eine lateinische Übersetzung der Vita des Chrysostomus aus der sog. Historia tripartita und eine griechische Vita aus der Suda. In seiner Widmung der Schriften des Athanasius an Bischof John Longland von Lincoln drückt Erasmus seine Freude aus, kürzlich eine Handschrift erhalten zu haben, die zahlreiche Schriften des Athanasius enthalte, die er zum Nutzen der Christenheit publizieren könne, um so Fehlendes bekannt zu machen. Bisher seien erst wenige bekannt, einigermassen übersetzt, denn die Kommentare zu den Paulusbriefen, die irgendjemand ihm zugeschrieben habe, seien nach den Angaben der griechischen Handschriften und ihrem Stil eindeutig Werke des Theophylactus. Zudem würden in ihnen häufig Chrysostomus und Basilius zitiert, die beide etwa vierzig Jahre nach Athanasius gelebt hätten. Hieronymus führe noch mehr Werke an, die noch nicht gefunden worden seien, von einem bringe er hier Teile, ein anderes möglicherweise unter abweichendem Titel, anderes bleibe unklar: Kostproben. Er könne mehr bringen, wenn er nicht so mit Arbeit überlastet wäre, so dass er auch dieses zum grossen Teil am Nachmittag habe diktieren müssen (ein schönes Wort für eine traurige Sache), sich wohl bewusst, welch ein Unterschied sei zwischen dem, was man selber geschrieben, und dem, was man nur einem Amanuensis diktiert habe. Doch dazu zwinge ihn teils die nachlassende Gesundheit, teils das Drängen der Forderer. Ausser mit den Kakographien des Kopisten habe er noch ständig mit unterschobenen Werken zu tun, die er z. T. lange nach Arbeitsbeginn wieder habe weglegen müssen. Daraus gebe er Fragmente, damit man sehe, wie verantwortungslos auch die griechischen Kopisten mit den alten Denkmälern umgegangen seien. Für die lateinischen könne er gerade ein neues Beispiel geben: als er sich zwischen Nachtessen und Schlaf von seinem Famulus aus der soeben erschienenen Ausgabe einiger Schriften des Clemens habe vorlesen lassen - es muss sich um den Basler Druck der Recognitiones in der Übersetzung des Rufinus mit Beigabe von Briefen der ersten Bischöfe, erschienen bei Johannes Bebel im August 1526 (GG 430), handeln -, sei man schliesslich auf den Brief des Antherius und in diesem auf fast wörtliche Einschübe ganzer Zeilen aus verschiedenen Briefen des Hieronymus gestossen.

Geschenk des Druckers Johannes Froben an die Basler Kartause: F K VII 6

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FK VII 6

Illustrationen

Buchseite

Titelseite

Buchseite

Inhaltsverzeichnis

Buchseite

Vorrede von Erasmus an König Johann von Portugal III., datiert von Basel, den 24. März 1527, 1. Seite

Buchseite

Vorrede, 2. Seite

Buchseite

Vorrede, 3. Seite

Buchseite

Vorrede, 4. Seite

Buchseite

Vorrede, 5. Seite

Buchseite

Vorrede, 6. Seite

Buchseite

Vorrede, 7. Seite

Buchseite

Anfang der 'Oratio prima adversus Iudaeos' von Johannes Chrysostomus

Buchseite

Vorrede zu Athanasius von Erasmus an John Longland, den Bischof von Lincoln, datiert von Basel, den 3. März 1527, 1. Seite

Buchseite

Vorrede zu Athanasius, 2. Seite

Buchseite

Letzte Textseite mit Kolophon

Buchseite

Druckermarke von Froben