GG 459

459a

Machumetis Saracenorum principis, eiusque successorum vitae, ac doctrina, ipseque Alcoran, quo velut authentico legum divinarum codice Agareni & Turcae, alijque Christo adversantes populi reguntur, quae ante annos CCCC, vir multis nominibus, Divi quoque Bernardi testimonio, clarissimus D. Petrus abbas Cluniacensis per viros eruditos, ad fidei Christianae ac sanctae matris Ecclesiae propugnationem, ex Arabica lingua in Latinam transferri curavit. His adiunctae sunt Confutationes multorum, & quidem probatiszimorum authorum, Arabum, Graecorum, et Latinorum, una cum doctiszimi viri Philippi Melanchthonis praemonitione. Quibus velut instructiszima fidei Catholicae propugnatorum acie, perversa dogmata & tota superstitio Machumetica profiligantur. Adiunctae sunt etiam Turcarum... res gestae maxime memorabiles, a DCCCC annis ad nostra usque tempora. Haec omnia in unum volumen redacta sunt, opera & studio Theodori Bibliandri, Ecclesiae Tigurinae ministri, qui collatis etiam exemplaribus Latinis & Arab. Alcorani textum emendavit, & marginib. apposuit Annotationes, quibus doctrinae Machumeticae absurditas, contradictiones, origines errorum, divinaeque depravationes, atque alia id genus indicantur...

Confutationes legis Machumeticae, quam vocant Alcoranum, singulari industria ac pietate a doctissimis atque optimis viris partim Latine, partim Graece, ad impiae sectae illius, errorumque eius impugnationem, & nostrae fidei Christianae confirmationem olim scriptae, ac magno studio hinc inde conquisitae, inque lucem editae... Adiecta quoque est Lodovici Vivis Valentini, viri doctissimi, de Mahumete & Alcorano eius Censura, ex Libris ipsius de Veritate fidei Christianae decerpta...

Historiae de Saracenorum sive Turcarum origine, moribus, nequitia, religione, rebus gestis: itemque de ordinatione politiae eorundem... Una cum vitis omnium Turcicorum imperatorum ad nostra usque tempora... Philippi Melanchthonis Praefatio longe doctissima... [Basel: Johannes Oporin März 1543]. Fol.

Ohne Angabe des Ortes und des Druckers - das Erscheinungsjahr ist aus der zusätzlichen kleinen Vorrede des Herausgebers Bibliander herauszulesen - erscheint bei Johannes Oporin in drei Teilen zum erstenmal eine lateinische Übersetzung des Korans im Druck, mit Kaiserlichem Privileg gegen Nachdruck auf sechs Jahre, mit beigegebenen kurzen chronikalischen Schriften insgesamt 230 Seiten (dazu 9 Seiten mit abweichenden Lesarten), sodann - mit eigener Paginierung und eigenem Zweittitelblatt - von Widerlegungen des Korans von verschiedenen lateinischen und griechischen (diese mit lateinischer Übersetzung) Autoren, nochmals 178 Seiten, mit Kaiserlichem Privileg auf sieben Jahre, schliesslich, wiederum mit eigenem Zweittitelblatt und eigener Paginierung, verschiedene Schriften zur türkischen Geschichte mit Melanchthons gewichtiger Vorrede vom Oktober 1537 an Herzog Ernst von Sachsen (163 Seiten), ebenfalls mit Privileg auf sieben Jahre.

Im Jahre 1141 hatte der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis, auf einer Visitationsreise durch die Klöster seines Ordens in Spanien Gelehrte mit einer lateinischen Übersetzung des Korans beauftragt, zur Erleichterung der Missionstätigkeit. 1143 war die Arbeit durch Pedro de Toledo, Hermann von Kärnten und den Engländer Robert Ketensis oder Retinensis sowie einen Araber abgeschlossen. Diese Übersetzung blieb, trotz ihrer zeitbedingten Mängel, bis gegen Mitte des 16. Jahrhunderts die wichtigste Quelle für die Kenntnis des Korans im Abendland. Da die Handschriften hier selten waren (Luther bekam erst über zehn Jahre nach seinen ersten Türkenschriften 1542 eine solche zu Gesicht), planten manche von der Mitte der 1530er Jahre an (gerade vor den militärischen Erfolgen der Türken von 1541 in Ungarn, Siebenbürgen und Algier), einen Druck einer Übersetzung. Auf dem Reichstag von Regensburg im Jahre 1541 erfuhr der Strassburger Reformator Martin Bucer durch den Schwäbischen Staatsmann und Humanisten, Hebraisten und Arabisten, mehrjährigen päpstlichen Sekretär in Rom Johann Albrecht Widmanstetter von dessen Übersetzung des Korans, die er mit andern Werken in Basel drucken lassen wolle. Hier hatte jedoch schon, wie wir Martin Steinmanns Dissertation von 1966 über Johannes Oporin, Ein Basler Buchdrucker um die Mitte des 16. Jahrhunderts, S. 21, entnehmen können, 1536 der Zürcher Theologe Theodor Bibliander aus seiner Beschäftigung auch mit den orientalischen Religionen heraus seinen Basler Freund Oporin gebeten, ihm "durch die buochfüerer und ander bekant lüt in Italien und anders wo" einen lateinischen und einen arabischen Koran sowie christliche Gegenschriften zu besorgen. Es konnte ein Exemplar der Übersetzung von 1143 und, wegen dessen schlechten Textes, auch ein zweites beschafft werden; den arabischen Text liess Oporin Bibliander in Gestalt einer Handschrift der Basler Universität zukommen, die Johannes Stoichovic von Ragusa nach Basel ans Konzil gebracht haben und die so mit seinen übrigen Handschriften in das Basler Predigerkloster gelangt sein soll. Am Arbeitsvorgehen Biblianders zeigt sich allerdings, dass er das Arabische kaum beherrschte. In Basel prüfte man den lateinischen Text Biblianders dann nochmals anhand einer dritten Handschrift, die man aus Wittenberg erhalten hatte. Im Juli 1542 wurde Oporin wegen seiner Druckertätigkeit von seiner Griechischprofessur abgesetzt. Vom August bis Dezember verhandelte er dann, mit Unterstützung der Strassburger Reformatoren Bucer und Hedio, Vadians und der Zürcher Kirche, mit Bürgermeister und Rat über den Druck des Korans; man fürchtete die Türkenfeindlichkeit; die Bücher wurden beschlagnahmt. Schliesslich wurde entschieden, das Werk freizugeben, "wenn Oporin jemand finde, der den Koran unter seinem Namen und auf eigene Verantwortung publizieren wolle, ohne Drucker und Druckort zu erwähnen, und wenn das Werk auch nicht von Basel aus vertrieben werde" (Steinmann S. 26). Das Werk ist dann allerdings doch in Basel bei Oporin gedruckt worden, aber ohne Angabe des Druckers und des Druckorts; voll genannt sind beide dann im lateinisch-griechischen Druck der Schrift des Johannes Kantakuzenos gegen die Religion der Sarazenen, der sicherheitshalber im selben Monat erschienen ist. Im selben Jahr erschien auch das Werk Widmanstetters, ebenfalls ohne Angabe des Druckers und des Druckorts, wohl in Nürnberg: Mahometis Theologia dialogo explicata, Hermanno Nellingaunensi interprete. Alcorani epitome, Roberto Ketenense interprete.

Der gut zweiseitigen Vorrede - Praemonitio - Melanchthons und der 18seitigen Rechtfertigung der Ausgabe - Apologia pro editione Alcorani - Biblianders, der noch die beiden Vorreden und eine Widerlegung "des teuflischen Betrugs der Sekte der Sarazenen bzw. Ismaeliten" aus dem 12. Jahrhundert folgen, hat Bibliander noch eine weitere kurze Rechtfertigung an den christlichen Leser von Zürich, 20. Januar 1543 vorausgeschickt: Nach dem Beispiel des von Hieronymus und andern Kirchenvätern gepriesenen Epiphanius von Zypern, der die Autoren rühme, die die Gestalten der Tiere, giftige und ungiftige Pflanzen wiedergegeben hätten, da bekannte Gifte leichter zu meiden und Gifte durch die Kenntnis der Gegenmittel leichter unschädlich zu machen seien: danach erscheine auch dieses Gift Mahomets und dabei das Gegenmittel (das antihäretische Werk des Epiphanius ist, nachdem Oporin sich schon einige Zeit um seinen griechischen Erstdruck bemüht hatte, durch seine Bemühungen 1543 lateinisch bei seinem Schwager Winter [GG 441], griechisch dann 1544 bei Herwagen, von Oporin herausgegeben [GG 442], erschienen). In einer längeren Apologie habe er darum für Bischöfe, Gelehrte und das fromme Volk die Gründe dieser Ausgabe dargelegt und sei bereit, auf Verlangen noch ausführlicher darüber zu disputieren. Bei deren Lektüre werde man feststellen, dass er nicht aus Verworfenheit, sondern mit guten Gründen zu diesem Werk gelangt sei: zur leichteren Entdeckung der Schlauheit Satans und des Antichrists, zur Bestärkung der Christen im Glauben und in dieser gefährlichen Zeit zur Sammlung für den Kampf gegen den Antichrist (d.h. konkret: die Türken in Ungarn).

Biblianders 18seitige undatierte Vorrede bzw. Rechtfertigung richtet sich an die Bischöfe und Lehrer (patres ac dominos episcopos et doctores) der Kirchen Christi, somit die Kirchen sämtlicher christlicher Konfessionen. Die Lehre Mahomets, die um 900 Jahre den grössten Teil der bewohnten Welt eingenommen und wie ein Krebs abgefressen habe, werde hier mit Schriften zusammen herausgegeben, die ihr den Garaus machten; so brauche das keinem Christen zu missfallen. Vielmehr verdiene der Drucker Beifall für seine Mühe, der mit grossem finanziellem Aufwand und Arbeit die Bücher gesucht und vereinigt habe, dass sie zusammen den studiosi vorgelegt würden, nicht Anklage. Doch da ebenso Ungelehrte wie Gelehrte sich literarische Urteile herausnähmen und viele sich um Verleumdungen bemühten, halte er es für nötig, die Ausgabe vor den Vorstehern der christlichen Religion zu rechtfertigen, da er sie zu einem guten Teil veranlasst habe. Zuerst wolle er zeigen, dass, obwohl das Buch der Lehre Mahomets, das die Araber Alcoran nennten, und die Bücher seiner Anhänger viel Falsches und Blasphemisches enthielten, sie deswegen nicht nicht zu lesen seien und dass ihre Veröffentlichung nicht die Kirche ins Wanken bringe. Dann dass eine Kenntnis der Lehre und Geschichte der Mohammedaner den Christen vielfältigen Nutzen bringe, ganz besonders in der jetzigen Zeit. Denn wenn man nichts lesen dürfte, das nicht völlig mit der heiligen Schrift übereinstimme, dürfte man auch nicht die heidnischen Autoren abschreiben, in Kirchenbibliotheken aufbewahren, lesen, in den Schulen den Knaben erklären; sie enthielten nicht weniger Gottlosigkeiten als der Koran. So nenne Tertullian denn auch die Philosophen die Patriarchen der Ketzer. Und diese würden gedruckt und in gewohnter Weise der Jugend vorgelegt, und Augustin, Basilius, Hieronymus, Beda und andere hätten ihre Lektüre empfohlen, zur Erlernung der Sprachen und zum Kennenlernen des Götzenglaubens, um ihn zu meiden und bekämpfen zu können. Das selbe sollte auch für den Koran gelten. Das selbe gelte aber auch bei einem Vergleich des Korans mit den Schriften der Juden, dem Thalmud, sowie mit allen astrologischen Werken, der Chiromantie und Pyromantie, die ebenso gedruckt und gelesen würden. Weiter sei es in allen Künsten üblich, sowohl die Vorzüge wie die Fehler zu kennen, habe auch Jesaias ebenfalls die Religion der Babylonier dargestellt. Aus diesen Gründen habe er nach wiederholter Lektüre des Korans (d.h. der lateinischen Übersetzung) es für die Theologen und die Kirche von Vorteil gefunden, die Lehre und Geschichte Mohamets und seiner Anhänger herauszugeben, in dieser Zeit, da das Christentum und die mohammedanischen Türken miteinander im Kriege stünden. Und er habe seinen einmaligen Freund Johannes Oporin ermutigt, ihn zu drucken, indem er ihm alle Hilfe versprochen und auch geleistet habe. Und er sehe keinen treffenden Grund, dieses Vorhaben nicht gutzuheissen.

Dazu komme der Nutzen aller Geschichtskenntnisse. Aber wie die mohammedanische enthalte auch die Kirchengeschichte so viel an Aberglauben, Streitigkeiten, Betrug, dass, wer solches das christliche Volk nicht lesen lassen wolle, sämtliche heidnische und Kirchengeschichte aus der Kirche verdammen müsse. So hätten auch die berühmten alten Kirchenväter die häretischen Lehren zur Widerlegung ans helle Licht gezogen, und gerade die Mohammedaner suchten zu vermeiden, dass ihre Bücher in die Hände Andersgläubiger kämen, was man in dem 1451 in Spanien entstandenen Fortalitium fidei nachlesen könne, wo man ja die Sitten der Sarazenen gekannt habe (das Werk des Alphonsus a Spina war u.a. auch in Basel gedruckt worden). In der Folge führt Biliander, da die Sarazenen von der Römischen Kirche zwar wie die Juden und Heiden von den Häretikern unterschieden, von Epiphanius hingegen die jüdischen und heidnischen philosophischen Sekten unter die Häretiker gezählt würden (sein Werk ist im selben Jahr bei Oporin erschienen) und zahlreiche Lehren des Korans auch schon vorher von Häretikern geäussert worden seien, neben Epiphanius weiter Äusserungen von Kirchenlehrern an, die sich offen mit den Häretikern auseinandergesetzt hätten: Irenaeus, Tertullian, Dionys von Alexandria bei Eusebius, Philastrius und vor allem Augustin, ganz zu schweigen, dass auch die kirchliche (d.h. hier römische) Zensur für einige der Apokryphen den öffentlichen Vortrag in der Kirche verbiete, nicht aber deren kritische private Lektüre oder nützliche Partien daraus, zu schweigen von Hieronymus und von Abt Petrus von Cluny, der den Koran mit hohen Kosten zum Nutzen der Kirche habe übersetzen lassen, wie auch sein Freund, der heilige Bernhard bezeuge (Bernhard von Clairvaux). Ausserdem habe das Papsttum am Konzil von Vienne 1311 festgelegt, dass am jeweiligen Sitz der Kurie und an den Universitäten von Paris, Oxford, Bologna und Salamanca Hebräisch, Arabisch und Chaldäisch (Aramäisch) gelehrt werden solle und dass arabische Schriften ins Lateinische übersetzt werden sollten, womit, nach Bibliander, gewiss eher der Koran als medizinische und astrologische Werke gemeint worden seien (zu "Vienne" ist als einzige Marginalie der ganzen Vorrede, neben einer sogleich folgenden textkritischen, und gewiss erst in Basel der Hinweis beigefügt worden, dass dieser Beschluss am Konzil von Basel erneuert worden sei). Und unterrichten könne man Arabisch doch nur mit Hilfe von arabischen Büchern. Anhand keines arabischen Werks aber könne man das besser als mittels des Korans dank seiner Notation und Grammatik, wie Hebräisch mittels der Bibel. Hierbei helfe aber eine lateinische Übersetzung, was man auch bei griechischen Werken schon erkannt habe. Mit Recht habe deshalb die Bestimmung der Väter mehr Gewicht als das Gesetz Theodosius des Jüngeren und Valentinians, das die verurteilten Bücher des Nestorius zu besitzen, zu lesen oder abzuschreiben verboten und sie zu sammeln und zu verbrennen verlangt habe, zumal man sehe, wer oft für die Herrscher regiere. So wären die Juden dennoch nicht zu Christen geworden, wenn Maximilian dem Verlangen, den Talmud zu verbrennen, nachgegeben hätte. Mit seiner Weigerung habe er sich mit Reuchlin unsterblichen Ruhm erworben. Die Lehre des Nestorius sei im Feuer nicht vernichtet worden und der Nestorianer Sergius habe zweihundert Jahre später zum Teil auf Mahomet gewirkt. Durch das Wort Gottes und den Hauch Christi allein würden die häretischen Ungeheuer gezähmt. Was sei es schliesslich für eine Sünde, ein zuvor von ehrbaren Kirchenmännern handschriftlich verbreitetes Werk nun durch den Druck zu verbreiten? Nachdem Abt Petrus von Cluny sein Exemplar zur Verbreitung in öffentlichen und privaten Bibliotheken habe abschreiben lassen, habe der spätere Kardinal Johannes von Segovia den Koran am Konzil von Konstanz erklärt, kommentiert und veröffentlicht (er hat dann, während des Basler Konzils, nach den Erfahrungen des Johannes de Ragusa in Konstantinopel, 1437 eine Konkordanz der kleinen Wörter der Bibel verfasst). Zudem finde sich im Koran keine gottlosere Lehre als in den Büchern der genannten Kirchenväter (d.h. in ihren Zitaten aus den bekämpften Häretikern), die in grösserer Zahl als die Kaninchen erschienen und den Druckern einen rechten Gewinn eintrügen. So sollte man einsehen, dass sie zu Unrecht beschuldigt würden, die Kirche mit neuen Giften zu infizieren.

In der Folge gibt Bibliander die häretischen Quellen einiger Lehrsätze des Korans an, bis zu den nicht seltenen verschiedenen Lehren, dass Christus nicht der Sohn Gottes - oder dann nur göttlich - sei, von seinen Zeitgenossen bis zur Zeit Mahomets. Solche Lehren hätten dann zusammen mit der abergläubischen Heiligenverehrung, besonders der Maria, zu den gottlosen Lehren Mahomets geführt. Der Druck des Korans schade also weder dem Ruhm Gottes noch der christlichen Lehre noch der Kirche. Zudem sei auch Arabien vor Mahomet christlich gewesen. Durch den Niedergang der christlichen Kirche dort sei die Lehre Mahomets aufgekommen. Sie stosse ab durch ihren Aberglauben, und das nütze den Christen. Noch mehr stosse die Behandlung der christlichen Gefangenen durch die mohammedanischen Türken ab, ihre Bearbeitung mit ihren Fabeln. Die alten Christen hätten sich zusammengetan, um ihre Gefangenen bei den Persern, Parthern, Gothen und Vandalen freizukaufen. Für sie und für die Türken, dass diese aufhörten, Christus zu schaden zu suchen, sollte man auch heute beten. Und ein Vergleich des Korans mit der heiligen Schrift offenbare deren Würde und Überlegenheit nur umso deutlicher, während dort ein Durcheinander herrsche. Warum scheuten die Christen, im Koran zu lesen, wo die Mohammedaner dies doch täglich täten? Zumal der Koran in grossen Schulen gelehrt werde und auch in die Politik hineinwirke? Weiter zeige eine Durchsicht des Korans, wie unklug diejenigen Behörden handelten, die durch ein Verbot der öffentlichen Lesung des Evangeliums den sogenannten alten Glauben zu bewahren suchten, sowie ihre Macht zu erhalten und Neuerungen zu verhindern, schlecht für sich und ihr Volk. Denn gerade dadurch habe Mahomet in Arabien Erfolg gehabt: Das Volk habe die Bibel nur den Namen nach gekannt, kaum etwas von Christus gewusst. Es habe Mahomet mit den auch heute gehörten Gründen Widerstand geleistet: sie hielten fest an der Religion ihrer Väter, ihre Herrscher hätten sie ihnen so überliefert, Mahomet sei ein Dahergelaufener, seine Anhänger aus den niedersten Schichten. Und eben diese Gründe habe er mit Leichtigkeit zu widerlegen vermocht. In den heutigen Gefahren, da die einen sich mit den Türken verbündeten, andere mit ihnen Kriege führten, sei die Lektüre des Korans für die Christen nicht nur nützlich, sondern sogar notwendig. Sowohl in türkischer Gefangenschaft wie in Freiheit sollte man aus ihrem authentischen Buch ihre religiösen Beweggründe kennen, aus denen heraus sie den christlichen Glauben bekämpften. Möge auch der Eifer, die Nichtchristen zu bilden und die ansehnlichsten Sprachen (Griechisch und Latein) dem anzupassen, nach dem Konzil von Basel gänzlich eingeschlafen sein (damals ging es gar noch um eine Vereinigung mit der Ostkirche und eine Rückgewinnung der an die Türken verlorenen Länder), so habe er doch gute Hoffnung, dass man nach der Regelung der eigenen religiösen Angelegenheiten mit klugen Bemühungen, die Ungläubigen für Christus zu gewinnen, Erfolg haben werde. Dafür dürfte man aus der Koranlektüre Nutzen ziehen, aus dessen Forderungen und Ermahnungen, wie die Propheten, Apostel und Christus selber auch fremde Äusserungen hierzu verwendet hätten. Weiter könne man ihm entnehmen, wie leer die Argumente seien, mit denen gewisse Betrüger dem Christenvolk falsche Lehren verkauften, aufputzten und verteidigten. Sie scheuten sich nicht, ihre Erklärungen als Wort Gottes auszugeben, dass diese auf den heiligen Schriften beruhten - das selbe, was Mahomet getan habe. Und schliesslich könne man die nicht nur die Theologen angehende Frage nach dem Antichrist nicht ohne Kenntnis des Korans lösen. Nachdem seit etwa zweihundert Jahren einige Gelehrte Mahomet als das Haupt und seine Sekte als den Körper des Antichrists bezeichnet hätten, den Daniel, Ezechiel und Johannes in der Apokalypse vorausgesagt hätten, könne man erst nach Kenntnis des Korans und Vergleich mit den Prophezeiungen entscheiden, ob in der arabischen Sekte der Antichrist zu sehen sei oder in einem andern, der schon gekommen sei oder noch komme. Darum möchte er nochmals darauf hinweisen, dass die Ausgabe des Korans der Kirche Christi nicht Gefahren bringe, sondern auf Gefahren hinweise, nicht verletze, sondern nütze, und dass sich durch eine private Stimmung hinreissen lasse, wer die Tat verurteile. Angenommen der Antichrist lehre schon in Babylon oder in Indien die Gottlosigkeit, gewinne Leute für seine Sekte durch lügenhafte Überredung, falsche Versprechungen, Schrecken und Strafen, und ein Mann, dessen Glaube ausser Zweifel stehe, bringe ihnen seine vollständige Lehre und die Beschreibung seines Vorgehens: müssten nicht die Drucker um die Wette dieses Buch in allen Sprachen bei allen Völkern verbreiten? Kaum ein Mann mit Urteilsvermögen würde das verurteilen, alle Rechtschaffenen würden es loben, dass sie damit erreichten, dass die Menschen sich vor drohenden Gefahren schützen könnten. Was sei der Druck des Korans für eine Sünde, in dem die Religion und die Geschichte der Türken enthalten seien, sowie der anderer Türkenbücher, wo doch die Türken die Glaubensbrüder bedrängten? Lob, nicht Hass verdiene, wer die Herausgabe von derart zeitgemässen Büchern besorge. So bezweifle er nicht, dass sie die Ausgabe gutheissen würden und kein kluger Mensch sie nach gewissenhafter Überlegung verurteilen werde.

In Tomus 2 verdienen besonders hervorgehoben zu werden die Confutatio - Widerlegung des Korans - des Dominikaners Richardus, von Demetrios Kydones ins Griechische und von Bartolommeo Piceno da Montearduo wieder ins Lateinische zurückübersetzt, der ein griechisch-lateinisches christliches Glaubensbekenntnis für die Sarazenen folgt, sowie die Censura des Vives, in Tomus 3 eine anonyme Türkengeschichte und die Vorrede Melanchthons von 1537 im Exemplar E IV 14 bzw. Martin Luthers im Exemplar E IV 39 (im Titel ist auch hier die Melanchthons aufgeführt) sowie die Türkenschriften von Paolo Giovio.

Grosse Teile des Manuskripts zum Korandruck sind erhalten, mit Setzerzeichen: Mscr. A XIII 25.

1987 in La Bibliofilia und 1990 in ihrer Monographie über den Venezianer Drucker "Alessandro Paganino (1509-1538)" hat Angela Nuovo das von ihr auf San Michele entdeckte Exemplar des bis dahin verschollenen bei weitem ersten arabischen Korandrucks behandelt, der [1537/38 in Venedig bei Paganino und Alessandro Paganini] erschienen ist.

459b

Ioannis Cantacuzeni Constantinopolitani regis Contra Mahometicam fidem Christiana & orthodoxa assertio, Graece conscripta ante annos fere ducentos, nunc vero Latinitate donata, Rodolpho Gualthero Tigurino interprete. Adiecta est eadem Graece scripta, in eius linguae ac pietatis studiosorum gratiam. Basel: Johannes Oporin März 1543. Fol.

Tou eusebestatou kai philochristou basileōs Iōannou tou Kantakouzēnou tou dia tou kai monachikou schēmatos metonomasthentos Iōasaph monachou, kata tēs tōn sarakēnōn haireseōs Apologiai D. Tou autou kata tou Mōameth logoi D.

Christianae Religionis acerrimi propugnatoris, D. Ioannis Cantacuzeni imperatoris Constantinopolitani, qui assumpto monachi habitu Ioasaph monachus est cognominatus, contra Saracenorum haeresim, pro Christiana religione Apologiae IIII. Eiusdem contra Mahometem Orationes IIII nunc primum in lucem editae. Basel: Bei Nicolaus Brylinger durch und auf Kosten Johannes Oporins 2. Mounichion/März 1543. Fol.

Im selben Jahr wie der Koran mit Beigabe verschiedenster Widerlegungen erscheint noch ein besonderer Druck verwandter Art, die Schrift des byzantinischen Kaisers (1341-1354) Johannes VI. Kantakuzenos (ca. 1295-1383), nach seiner durch Johannes V. Palaiologos erzwungenen Abdankung Mönch in Konstantinopel (Joasaph), dann in Mistra, Autor einer Zeitgeschichte und theologischer Schriften, darunter dieser umfangreichen Verteidigung des Christentums gegen den Islam. Auch dieser Druck ist mehrteilig: der Druck des griechischen Originals hat nicht nur ein eigenes Zweittitelblatt und eine eigene Paginierung, sondern er ist sogar, wenn auch durch den selben Drucker und auf seine Kosten, d.h. in seinem Verlag, in einer anderen Offizin entstanden, durch Oporin bei Brylinger, da die eigenen Pressen mit anderem belegt waren (Koran, Vesal). Den lateinischen Teil hat dessen Erstübersetzer, der Zürcher Theologe Rudolf Gwalther, in Zürich am 23. Dezember 1542 dem Marburger Theologen Johannes Draconites gewidmet, den griechischen Johannes Oporin selber seinem Freund, dem ehemaligen Famulus des Erasmus von Rotterdam in Freiburg und seither in seiner Heimatstadt Nozeroy in Burgund Privatlehrer zahlreicher Basler Knaben Gilbert Cousin (Cognatus) am 13. Februar 1543 von Basel. In dieser Widmung erfahren wir auch von der kürzlich erfolgten Gründung der eigenen Offizin und Oporins editorischen Vor- und Grundsätzen, sowie von einem Basler Besuch Cousins.

Der Theologe Gwalther geht in seiner Widmung von der aktuellen Türkengefahr aus: Überall suche man heute nach Plänen und Mitteln, der türkischen Barbarei, die den edelsten Teil Europas - Griechenland, Makedonien, Thrakien - und kürzlich Ungarn erobert habe und gar Deutschland bedrohe, Widerstand zu leisten. Keiner der das nicht wünsche, aus dem mit den Tieren gemeinsamen Trieb der Menschen heraus, das Schädliche zu meiden, das Heilbringende und Nützliche zu ergreifen. Nur verwechsle man seit dem Sündenfall Adams zuweilen beides. So strebe man nach Reichtum, Ehre, Lust statt nach dem höchsten Gut, durch Geltungssucht, Betrug, Raub, Mord, und auch im Verhüten der Übel gehe man oft nicht den Weg, den Gott gewiesen habe. Man wolle mit menschlicher Kraft vertreiben, was Gott gesandt habe. So preise man seine deutschen, spanischen, römischen Krieger, sammle ein Heer von Gotteslästerern und Betrunkenen, grösser als das der Perser, höre aber nicht auf Gott, nach den Worten des Psalmisten. Sein Wirken zeigten Beispiele aus der Geschichte des Volkes Israel: Starrköpfig sei es in der Wüste umhergeirrt, habe mit seiner Undankbarkeit Gottes Zorn erregt, sei aber auch dank seiner Reue und Gottesfurcht wieder gerettet worden; sei in Palästina mehrmals unterdrückt und nach der Bitte um Gnade von Gott, der es auch in Ägypten erhört habe, wieder befreit worden. Wenn Deutschland dies beachte, werde man in Kürze von dieser Geissel befreit sein. Die eigenen Sünden hätten diese Strafe verdient. Das zeige ein Vergleich: wie heute hätten manche Israeliten vor der babylonischen Gefangenschaft Götzendienst getrieben, den Propheten widersprochen, die Gestirne verehrt. So lägen jetzt überall die Kirchen im Schmutz, würden die Kreaturen statt Gott verehrt, sein Wort verachtet. Wie damals gälten heute die Heuchler als fromm, redeten vom Evangelium, von Christus, lästerten über das geldgierige Feilschen des Papstes und prahlten mit der unentgeltlichen Vergebung der Sünden durch das Blut Christi, vergässen aber, dass das der zweite Teil der frohen Botschaft sei, dass der erste, die Reue, vorangehen müsse. Beides habe Christus als untrennbar geehrt und den Aposteln zu lehren aufgetragen. Wo sei da die Liebe, die Frömmigkeit, vor allem die demütige Reue? Wohl gebe es Fromme an den Höfen, in den Behörden, den Volksversammlungen, die das bedauerten und den richtigen Weg zeigten. Doch was vermöchten sie gegen die Mehrheit? Obwohl sie häufig vom Frieden miteinander, von einer Reform der Kirche, einer persönlichen und einer allgemeinen Reue sprächen und das als die Waffen gegen die Türken bezeichneten, fänden sie mehr Spötter als Anhänger.

Aber es gebe auch nur wenige, die in der Religion gut unterrichtet seien. Dem Namen nach Christen, kennten viele nicht die Grundlagen und das Zentrum der christlichen Religion. Sie hörten wohl das Wort, nähmen an den Zeremonien teil, doch ihr Geist sei haltlos allen Stürmen ausgesetzt. Für sie richte sich der Glaube nach dem Erfolg und so begönnen sie durch die Erfolge des türkischen Heeres am Christentum zu zweifeln, da ein Volk mit einer falschen Religion nicht so erfolgreich sein könne. Mit Vertrauen in Gottes Wirken müsse man die Ungläubigen angreifen, doch das vermöge nicht, wer keine Kenntnis der wahren Religion habe. Es könne aber auch der die wahre Religion nicht gegen die Ungläubigen verteidigen, der deren Falschheit, Gottlosigkeit und die wahren Gründe dieser Gottlosigkeit nicht kenne. Klug handelten darum die, die sich in diesen Gefahren darum bemühten, dass der Abscheu des mohammedanischen Gesetzes an den Tag komme und mit dem Dolch der Wahrheit, schärfer als jedes Schwert, durchbohrt werde. Auch die rechtgläubigen Autoren der alten Kirche hätten die Lehren der Häretiker nicht im Verborgenen belassen, sondern ans Licht der Wahrheit gezogen und mit dem Wort Gottes abgestochen. Das selbe sei jetzt geschehen. Solange das Gesetz des Papstes unbekannt gewesen sei, habe es die Wahrheit und die Frömmigkeit unterdrückt. Alle - gerechtfertigten - Versuche der Kaiser, dem ein Ende zu bereiten, seien gescheitert. Erst das Aufleuchten des Lichtes des Evangeliums in der Welt (d.h. die Reformation) habe es blossgestellt und nicht nur den Fürsten und Gelehrten, sondern auch dem Volk, sogar den Kindern zum Gespött gemacht. So dürfe, wer das Evangelium nicht mit Waffen, sondern durch die Verkündigung des Wortes auf der Welt verbreiten wolle, auch die Gottlosen nicht mit dem Schwert, sondern müsse sie mit der Kraft der Wahrheit bekämpfen.

Er habe gesehen, wie vor vielen Jahren aufrechte Männer gegen die Sarazenen vorgegangen seien, ein jetziger Versuch habe weniger Erfolg gehabt; er hoffe aber, dass viele sich zusammentäten. Jetzt habe sich, gewiss mit Gottes Hilfe, eine Gelegenheit geboten, bei der auch er mitwirken wolle. Als der Erforscher der heiligen Mysterien Theodor Bibliander Tag und Nacht dafür gearbeitet habe, dass die christliche Welt die Gottlosigkeit des mohammedanischen Gesetzes erkennen und widerlegen könne, habe er ihm das gottesfürchtige und kluge Buch des Kaisers Johannes Cantacuzenus gegen dieses Gesetz gebracht, in zwei griechischen Handschriften, die er von Freunden erhalten habe: die ältere und korrektere laut Unterschrift, die den Ort und den Bücherladen des Emanuel Zycandylas nenne, in Konstantinopel geschaffen. Er habe ihn gebeten, es zum Dienst an der christlichen Kirche, zum allgemeinen Nutzen und zum Heil vieler auf lateinisch zu übersetzen. Es sei ein neues (d.h. noch nie übersetztes) Werk und er habe es als vielleicht zu schwierig für sich angesehen. Doch sein Gönner habe gedrängt, der allgemeine Nutzen danach verlangt. Er habe es, nach seinen Übersetzungen von weniger nützlichen Werken, nicht ablehnen können. Er habe die beiden Exemplare mit einander verglichen, nur wenige Abweichungen gefunden und nach dem Vergleich alles lateinisch wiedergegeben. Auch die Skrupel, die er vor allem in der dritten Apologie gespürt habe, hätten ihn nicht abgehalten. Dort habe jener, zeitbedingt, u.a. die Heiligenbilder, die Fürbitte der Heiligen, die Kreuzesverehrung hartnäckig, aber wenig beweiskräftig verteidigt. Er habe nicht wegen einiger Kohlen den grossen Schatz wegwerfen wollen; auf diese Weise bliebe kein Werk in der Kirche bestehen; keines enthalte nicht irgendwo Menschliches. Er scheine dem Damascenus (Johannes Damascenus) zu folgen, der in seiner Verteidigung der Bilder allerdings nicht die Bilder, sondern die Dargestellten habe verehrt sehen wollen, bzw. nicht diese, sondern Gott, den sie verkündigt hätten, nach dem Gesetz und den Propheten (was Gwalther in der Folge mit den einschlägigen Zitaten aus den Geboten, Jesaias, Habakuk und Paulus belegt und behandelt). Bis in die Zeit des Hieronymus hätten die Bischöfe dafür gesorgt, dass sich kein Bildnis in den Kirchen finde, weder ein Gemälde noch ein Bildwerk noch ein Gewebe, auch nicht von Christus, wegen der Anthropomorphiten. Irrtum und Aberglaube hätten Zutritt erhalten, als man sich von der Religion des reinen Geistes weg den Zeremonien zugewandt habe. Und mit dem Kreuz habe Paulus nicht das Holz, sondern die Passion Christi gemeint. Die materiellen Kultkreuze seien nicht anders zu achten als das eherne Schlangenkreuz, das der fromme König Ezechias zerbrochen habe. Die Anrufung der Heiligen brauche er hingegen nicht lange zu behandeln: Christus habe nirgends ihre Fürbitte gelehrt, sondern alle Menschen zu sich gerufen (wofür Gwalther Johannes und Paulus zitiert). Das lehre auch Cantacuzenus vorwiegend so und das meiste in seinem Werk sei orthodox. Auch Vergil habe sich nicht gescheut, im Mist des Ennius nach Perlen zu suchen.

Ihm widme er das Werk wegen seiner und des Landgrafen Philipp Verdienste um ihn, dass die Universität Marburg ihn nicht als Schüler, sondern als Freund aufgenommen habe, für das Entgegenkommen des Fürsten an seinem Hof in Regensburg, das seine, das des Antonius Corvinus, Johannes Pistorius, Dionysius Melander, Johannes Megabacchius und anderer. Er möge Megabacchius, Lonicerus, Gaspar Rodolphi, Matthaeus Capella grüssen. Ihn grüssten auch Heinrich Bullinger, Caspar Megander, Erasmus Fabricius, Pellican und Bibliander.

Andere Gewichte hat in seiner Widmung der Philologe und Drucker Oporin gesetzt, obwohl auch er von der Türkengefahr jener Jahre ausgeht: Gewiss geschehe es nach dem Ratschluss Gottes, dass, da in ihrer Zeit die Tyrannei der sarazenischen Gottlosigkeit täglich Fortschritte, materielle und geistige, mache, gewiss zur Strafe für ihre Sünden, dass Er dennoch fromme Männer aufrufe, sich nach Kräften der Bekanntmachung des so lange durch die Verborgenheit der Fallen Satans wütenden Übels und seiner Bekämpfung durch das göttliche Wort zu widmen. Nicht den unwesentlichsten Beitrag lieferten dabei die, die Arbeiten anderer Gelehrter publizierten, und kein Christ werde ihnen den Dank dafür verweigern. Einige dürften aus Mühe mit ihrer persönlichen Gesinnung heraus (um es nicht schärfer auszudrücken) anders urteilen. Wenn aus gewisser frommer Beschränktheit, aus Furcht vor einer Verschlimmerung des Übels, dann möge man ihnen verzeihen und Gott darum bitten, dass sie wenigstens nichts dagegen unternähmen statt Gutes zu wünschen. Es gebe, laut dem Komiker, so viele Meinungen wie Köpfe (Sprichwort in Anlehnung an Terenz, Phormio 2, 4, 14) - und dies besonders in Religionssachen. Doch man sollte das nicht immer wieder in den grössten Gefahren erfahren müssen. Aber da auch Gott die philautia - Eigenliebe - gewisser Leute ertrage, wolle auch er es tun und denen Dank und Lob spenden, die zum Ruhme Christi und zur Förderung der Menschheit den Spott der Menge und Gefahren für Habe und Leben auf sich genommen hätten, und auch selber seine Aufgabe erfüllen. Daher habe er, als ihm kürzlich ein Freund einige gelehrte fromme Reden des Kaisers Johannes Cantacuzenus gegen die mohammedanische Sekte von etwa 1360 auf griechisch gebracht habe, diese für einer Publikation höchst würdig erachtet, zur Kenntnis der Theologen, zur Ermahnung der Vorkämpfer gegen diese Ketzerei und gar zu deren Überwindung. Aber er habe sie auch lateinisch zu ihrer weiteren Verbreitung publizieren wollen. Er habe sie daher zuerst seinem einmaligen Freund Theodor Bibliander, dem hochgelehrten Professor der Theologie an der Zürcher Akademie (theologische Hohe Schule), gesandt, von dem er gewusst habe, dass er sich schon lange mit der Bekämpfung des mohammedanischen Aberglaubens beschäftige (natürlich: mit dem Plan, den Koran drucken zu lassen - bei Oporin), und dem ihre Kenntnis zweifellos höchst willkommen sein würde, und dann, auf dessen Empfehlung, dem treuen Prediger der Zürcher Kirche Rudolph Gwalther zur Übersetzung ins Lateinische, und sie hätten das von ihrem gemeinsamen Freund, der zu solcher Förderung der Kirche und der Wissenschaften immer bereit sei, rasch erreicht (vgl. oben Gwalther hierzu). Es gebe auch kaum ein anderes Werk, das zur Warnung vor den gottlosen Betrügereien jener Sekte und ihrer Vernichtung so geeignet sei. Ebenso gewissenhaft in der Widerlegung wie in der Untersuchung der Irrtümer Mahomets, indem Cantacuzenus nicht nur Begründungen liefere, die seelisch wirken könnten, sondern auch Prophezeiungen der Heiligen Schrift (denen auch die Anhänger Mahomets göttliche Kraft beimässen, so dass diese sie gewissermassen mit ihrer eigenen Waffe verderbe) als so wirksames Gegengift, dass man kaum noch etwas vermisse. Er wolle hier nicht Entstehung und Wachstum der Seuche behandeln, doch sei sie höchst lehrsam als Beispiel der Gerechtigkeit Gottes, wie er Vernachlässigung seines Wortes und andere Unfrömmigkeit mit dichtester Blindheit strafe. Dass Cognatus sich mit diesen Dingen aus der alten und neuen Geschichte, aus Theologie und Philosophie eifrig abgebe, wisse er aus ihrer alten Bekanntschaft beim grossen Erasmus von Rotterdam, aus seinen zahlreichen Briefen seither und von seinem kürzlichen Besuch seiner alten Freunde in Basel, bei dem er ihn in einer unglücklichen Lage wiederaufgerichtet habe, an den er sich darum immer gern erinnere (es dürfte sich um den Moment der von der Universität von Oporin verlangten Entscheidung zwischen Lehrstuhl und Buchdruck, bzw. um die verlangte Trennung von einer der beiden Tätigkeiten handeln - Anfang Juli 1542 war in der Folge Oporin vom Rat von seiner Professur abgesetzt worden). Deshalb habe er zum Dank dieses Werk zur Wiederherstellung und Bewahrung der christlichen Religion unter seinem Namen ausgehen lassen wollen. Beim Druck seien sie textgetreu und ehrfürchtig vorgegangen; sie hätten nur eine Vorlage zum Abdruck zur Verfügung gehabt (mit einigen, aber nicht zahlreichen Lücken, die zudem durch die lateinische Übersetzung entgolten würden), und es darum vorgezogen, alles genauestens wiederzugeben, kein Iota beizufügen und nichts zu ändern. Mit dieser Ehrfurcht möchten auch gewisse andere Leute (die er kenne) bei der Edition alter Denkmäler vorgehen, statt, wenn ihnen etwas nicht sogleich verständlich sei, dies leichtfertig wie im Traum zu ersetzen. Die meisten Texte würden weniger verderbt in die Welt ausgehen, die diese Halbwisser meist so entstellten, dass die Autoren sie nicht mehr wieder erkennen würden. Eine verwünschenswerte Frechheit, die man durch Gesetze verbieten müsse, die er immer wie Hund und Schlange gehasst habe und mehr als alles zu meiden trachte. In diesem Sinne empfehle er die Gewissenhaftigkeit und Texttreue der von ihm kürzlich gegründeten typographischen Offizin den studiosi der Wissenschaften und Künste. Eine - nicht gewichtige - Unannehmlichkeit müsse er noch gestehen, nämlich dass das Werk nicht ganz bei ihm habe gedruckt werden können (da seine Pressen durch umfangreichere Werke besetzt gewesen seien - hierbei dürfte es sich vor allem um den Druck des Korans, der im März erschien, und Vesals sieben Bücher der Humani corporis fabrica, die von Januar bis Juni in Arbeit war, handeln), sondern dass es durch fremde Arbeiter und Typen habe fertiggestellt werden müssen (es sollte eben, als "Gegengift", gleichzeitig mit dem Koran erscheinen); doch er hoffe, so achtsam, dass der Leser gewiss nichts vermissen werde. Über den Autor erfahre man das Nötige aus der Vorrede der Übersetzung und seinem Werk selber.

Zum Schluss bittet Oporin Cousin, seinen Druck der Schrift seines Antonius Garro über Gesetz 11 des Pomponius über den Ursprung des Rechts, die er, zusammen mit dem Kommentar des Franciscus Balduinus von Arras zu den Landwirtschaftsgesetzen Justinians im Anhang, schöner als je zuvor ihm durch den selben Boten zukommen lasse, angemessen zu schätzen (den Anhang bildete ausser diesem griechisch-lateinischen Text auch ein Lehrbrief Cousins zum Rechtsstudium, der Druck ist ebenfalls im März 1543 erschienen). Und bald werde weiteres, das er seiner Offizin anvertraut habe, je später desto besser gedruckt, zu ihm zurückkehren.

Dieser Widmung lässt der Drucker noch einen Druckfehlerhinweis an den Leser folgen: Obwohl er beim Druck des ganzen Werkes unablässig darauf geachtet habe, dass man nirgends von der handschriftlichen Vorlage (a manuscripto exemplari) abweiche, sei dennoch sogleich in der Überschrift (zum Textbeginn auf S.[3]) für kyrou iōannou tou kantakouzēnou auf ihm unklare Weise kyriou gesetzt worden, ob richtig oder nicht, das überlasse er dem Urteil anderer. Denn ob der Name Cyrus zu Recht dem Cantacuzenus zugeschrieben werde, sei ihm bis jetzt nicht klar; aber auch, ob dafür sogleich der Name (das Substantiv?) kyriou habe eingesetzt werden müssen, könne er nicht entscheiden (es hat also ausser Oporin zumindest ein Setzer oder ein sonstiger Mitarbeiter in der Offizin griechisch können müssen; gemeint hat dieser wohl das Substantiv als Titel). Darauf hinzuweisen habe er hier im Eingang für der Mühe wert gehalten. Und ebenso, dass, auf einigen Seiten, recht deutlich irrtümlicherweise, sich poiēma für ponēma in der selben Überschrift durch eine Unachtsamkeit der Arbeiter eingeschlichen habe. Welchen Hinweis er hier ebenfalls für sinnvoll gehalten habe - beide Fehler sind offenbar noch so rechtzeitig bemerkt worden, dass sie in einem Teil der Auflage verbessert werden konnten; doch findet sich seltsamerweise das überlieferte kyrou gerade in dem Basler Exemplar, das davor die Abweichung poiēma hat ( E IV 14), während das andere Exemplar das überlieferte ponēma, dann aber die Abweichung kyriou hat ( E IV 39); die eine der beiden Abweichungen ist offenbar beim Neusatz für die andere hineingelangt. So steht Oporins Hinweis immerhin in beiden Exemplaren zu Recht.

Diesem Hinweis folgen noch zwei biographische Ausschnitte über Cantacuzenus aus dem Werk des Johannes Baptista Egnatius (Venedig 1478-1553) über die römischen Kaiser (auch die griechischen Kaiser nannten sich wie ihr Reich Rhōmaioi: das Werk behandelt die Kaiser von Constantius Palaeologus und Karl dem Grossen bis zu Maximilian I.) und aus Cuspinian (1473-Wien 1529: De Caesaribus atque imperatoribus Romanis opus, Strassburg 1540).

Der Band E IV 14 gehört zum alten Besitz der Bibliothek, enthält keinen Vorbesitzereintrag: als Nr. 1 ist der Koran (zeitgenössisch) eingebunden, mit den getrennt paginierten Confutationes, als Nr. 2 die Cantacuzenus-Übersetzung Gwalthers, als Nr. 3 der griechische Druck, zuletzt die als Tomus 3 ebenfalls zum Korandruck gehörenden getrennt paginierten Historiae de Saracenorum sive Turcarum origine mit der Einleitung Melanchthons und andern Texten; dieser Band 3 zeigt alte Randnotizen zweier Hände, was auf zwei private Vorbesitzer weist. Der Band E IV 39 enthält als Nr. 1 den griechischen Cantacuzenus-druck, als Nr. 2 den Koran mit den Confutationes und den Historiae und zuletzt die nach der Absicht der Drucker den ersten Teil des zweisprachigen Cantacuzenusdrucks bildende Übersetzung Gwalthers. Diesen Band hat 1546 der aus Ensisheim stammende Pratteler Pfarrer Georg Höltzlin erworben - und binden lassen - und gelesen (gest. 1561), dann 1569 Jacob Ryter, Pfarrer 1566-1570 in Läufelfingen, 1566-1610 in Liestal, 1616 der später berühmte Basler Hebraist Johannes Buxtorf (II, 1599-1664) von seinem älteren Mülhauser Kommilitonen Matthias Hofer (1594-1619, Pfarrer in Mülhausen 1618/19) bei dessen Wegzug an die Universität Heidelberg geschenkt bekommen.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Aleph E IV 14:1 | Aleph E IV 14:2/3 | Aleph E IV 39:1 | Aleph E IV 39:2

Illustrationen

Buchseite

Titelseite

Buchseite

Vorrede bzw. Rechtfertigung (Apologia) des Herausgebers Theodor Bibliander an 'die Bischöfe und Lehrer der Kirchen Christi', 1. Seite

Buchseite

Anfang des Koran

Buchseite

S. 14. Vgl. die Manuskriptseite bei Nr. 7

Buchseite

Manuskriptseite mit Setzerzeichen für die vorliegende Ausgabe. Die Seite entspricht der gedruckten S. 14 (vgl. Nr. 4).

Buchseite

Titelseite von Bd. 2

Buchseite

Titelseite von Bd. 3

Buchseite

Titelseite

Buchseite

Vorrede zum lateinischen Band von Rudolf Gwalther an Johannes Draconites, datiert von Zürich, den 23. Dezember 1542, 1. Seite

Buchseite

Kolophon

Buchseite

Titelseite des griechischen Bandes

Buchseite

Vorrede zum griechischen Band von Johannes Oporin an Gilbertus Cognatus (Cousin), datiert von Basel, den 13. Februar 1543, 1. Seite

Buchseite

Inhaltsangabe (Hypothesis) zur Schrift des Johannes Cantacuzenus

Buchseite

Kolophon