GG 473

Epistola de Vita obitu, successoribus, et Officina eruditi, clari, diligentis, ac summi typographi, D. Iohan. Oporini, iampridem pie defuncti: scripta ab amico ad amicum, anno salutis M.D.LXVIII. Mense Augusto. Basel 1568. Einblatt.

Nach dem Tod seiner dritten Frau, der Witwe Johannes Herwagens Elisabeth hat sich Oporin bei der Heirat der Schwester Basilius Amerbachs, der Witwe Faustina Iselin, gegen Ende 1565 diesem gegenüber, nicht zuletzt seiner ständigen Schulden wegen, verpflichten müssen, die Offizin zu verkleinern, wenn nicht aufzugeben. So schreibt er denn Amerbach, wie Martin Steinmann in seiner Dissertation über ihn eingehend ausgeführt hat, dass seine Begeisterung, Neues zu drucken, nachgelassen habe, dass er sich auf die alten Werke beschränke, die sichern Nutzen und Gewinn brächten. Schliesslich kann er die Offizin an ein Konsortium bestehend aus Balthasar Han und den Brüdern Poykarp und Hieronymus Gemusaeus verkaufen: das Haus für 1400 Gulden, die Druckereieinrichtung mit sechs Pressen und einer Korrigierpresse, "item Puntzen, Matricen, instrument, Kästen, bretter, schiff, Küpferin und hulzin buchstaben" für 800 Gulden, die Schriften, "nüie und alt durcheinander" zu 12 Gulden den Zentner, sowie sein ganzes Lager an Büchern und Handschriften, den Ballen zu 10 Gulden, schliesslich die Rechte, Anteile und Privilegien des Verlags (Steinmann S. 113). Es sei ihm schwer gefallen, berichtet sein Biograph Andreas Jociscus, Professor für Ethik in Strassburg, in seinem 1569 in Strassburg gedruckten Nachruf, seinen Posten, auf den er von Gott gestellt sei, leichthin zu verlassen und den Nutzen der Allgemeinheit über seiner eigenen Bequemlichkeit vernachlässigen zu dürfen (s. Nr. 474). Die Übergabe dürfte Ende 1567 erfolgt sein. Am 15. Januar - am Geburtstag des Vaters - 1568 kam ein Sohn zur Welt. Am 6. Juli ist Oporin nach kurzer Krankheit gestorben. Sein hier im Druck vorliegender Nachruf ist der erste auf einen Basler einzeln gedruckte Nachruf seit jenem auf Erasmus von Rotterdam. Der nicht genannte Verfasser ist sein Freund Paul Cherler aus Elsterberg in Sachsen, nach Studium in Basel ab 1562 seit 1565 Pfarrer in Binzen im Kandertal und Dichter. Aus seinem Museolum, Christus und den Musen, zuweilen auch Apollo heilig, am Berg Susenhard (ob Kandern) hat er denn auch seinen Nachruf, als Brief an seinen Vetter Johannes Aquila vom Monat August 1568 datiert (dieser hat sich, nach Studium in Wittenberg ab 1571, dann 1579 in Basel immatrikuliert).

Er wolle ihm während der Frankfurter Messe über Leben, Tod und Nachfolger des hervorragendsten Druckers Europas Johannes Oporin berichten, von dessen Tod jener durch Gerüchte und Briefe erfahren habe. Er sei am 25. Januar 1507 in Basel geboren. Am selben Tag dieses Jahres 1568 sei ihm im Alter von 61 Jahren von seiner vierten Frau Faustina sein Sohn Immanuel geboren worden. Zum Vater habe er den Maler Johannes Oporinus gehabt, auf deutsch Hans Herbster, lateinisch Autumnalis, griechisch Opōrinos. Von ihm habe er die Anfangsgründe der Malerei gelernt und sei dann gelegentlich, um zusätzlich lesen und schreiben zu lernen, in die Schule geschickt worden. Durch Fleiss und mit Gottes Hilfe habe er sich rasch feste Grundlagen erarbeitet und die meisten seiner Altersgenossen übertroffen. Der Vater habe ihm daraufhin geraten, sich eher den Wissenschaften zu widmen als seiner väterlichen Kunst. So habe er eine gewisse Verwandtschaft mit Malern und Dichtern gezeigt und sich mit Erfolg mit Dichtung beschäftigt. Um diese zu erlernen, habe er zahlreiche Dichter eigenhändig abgeschrieben, wie er oft von ihm gehört habe; nicht weil er sie aus Geldmangel nicht habe kaufen können, sondern weil damals solche Werke noch selten gedruckt worden seien, wie die älteren Gelehrten wüssten. Als er sich mit dem unsterblichen Erasmus von Rotterdam angefreundet habe, habe der dieser Unbequemlichkeit abgeholfen, da er seine Frömmigkeit, den Fleiss, die Achtung vor den Gelehrten und die Freundlichkeit (humanitas) allen gegenüber erkannt habe (also dürfte Geldmangel doch auch mitgespielt haben; allerdings ist von engerer Freundschaft von Seiten des Erasmus nirgends die Rede). Erwachsen sei Oporin zuerst Primarlehrer, wie man das nenne (Ludimoderator primariae Scholae trivialis) in Basel geworden, dann in das Collegium Professorum aufgenommen worden (1533 wurde er Latinae linguae professor, am Pädagogium, einer zur Universität gehörigen Vorstufe zwischen Lateinschule und Artistenfakultät, im Mai 1538 Professor für Griechisch an der Artistenfakultät). In beiden Stellungen habe er sein Geschick im Unterrichten, seine Bescheidenheit und Rechtschaffenheit bewiesen. Unter anderem habe er die Dichter erklärt, die griechischen Viten Plutarchs, die Geschichte vieler Völker und Moralphilosophie (gewiss Aristoteles). Nach einigen solchen erfolgreichen Jahren habe er sich dem Buchdruck zugewandt. Ausser dem göttlichen Ratschluss habe Folgendes das bewirkt: durch ein Gesetz hätten die Vorsteher der Basler Universität festgelegt (diese Statuten datieren vom 26. Juli 1539), dass jeder in der Fakultät, in der er lehre, die höchste Stufe (d.h. das Doktorat) in Theologie, Jurisprudenz, Medizin oder Philosophie erlangen müsse (s. zur entsprechenden Passage des Jociscus in Nr. 474). Einige der Professoren hätten vor jenem Tag diese Bezeugungen ihres Wissens (huiuscemodi doctrinae testimonia - d.h. Doktorprüfungen bzw. -promotionen) für unwichtig gehalten gehabt (unter ihnen auch Grynaeus und Münster, ebenso Oporin) und wegen fortgeschritteneren Alters sich nun geweigert, sie nachzuholen, unter ihnen auch Oporin. Diese seien alle friedlich entlassen und andere an ihre Stelle gewählt worden, die bereit gewesen seien, sich den Vorstehern und dem neuen Gesetz zu fügen. Seine Wendung zum Buchdruck sehe er aber mehr noch als göttliche Fügung, so erfolgreich sei er darin tätig gewesen, wie alle Gelehrten zur Genüge wüssten (in der nur etwa zwei Jahre zusammengebliebenen Gesellschaft Thomas Platters, Robert Winters, Balthasar Ruchs - Lasius - und Oporins war Platter offenbar der geschäftstüchtigste, entschied sich aber, als man ihn vor die Wahl stellte, für das Rektorat der Schule auf Burg, Lasius Handwerker und Setzer, Oporins Schwager Winter kapitalkräftig und Oporin wissenschaftlich angesehen mit entsprechenden Verbindungen; von 1538 an druckte jeder vorwiegend allein; Oporin war im Hintergrund neben seiner Professur in der Gemeinschaftsoffizin, dann bei Winter tätig). So gewissenhaft habe er gedruckt und die griechischen, lateinischen und hebräischen Autoren wieder zum Leben erweckt, die besten und ohne Zahl, und nicht nur um seines Verdienstes willen, sondern zur Förderung der Wissenschaften (rem literariam promovendi gratia), so dass alle Gelehrten sich beglückwünschen könnten. Denn was Oporin aufgegeben habe, hätten viele, wenn auch nicht mit gleichem Geschick und Erfolg, so doch mit Fleiss im Unterrichten weiterführen können. Was aber er auf sich genommen habe, hätten nur ganz wenige leisten können; das wüssten die, denen bekannt sei, was an Sorgfalt, Mühen, finanziellem Aufwand, Unterstützung (durch andere), Gefahren, Verlusten, Zufällen die Meister der Druckkunst auf sich zu nehmen hätten. Das habe Oporin mutig mehr zum Vorteil der andern als zum eigenen und dem der Seinen ständig ertragen. Davon spreche deutlich der Erfolg. Hierauf kommt Cherler auf seine Frauen zu sprechen: die erste ältlich und mürrisch, die mit ihrer Art den guten Mann fast umgebracht habe, eine grosse Erbschaft hinterlassen habe, die er aber nicht erhalten, sogar viel Geld für den Prozess verloren habe. Die zweite sei vielen bekannt: unglücklich in der Verwaltung des Vermögens, doch mit dem Guten, dass sie den Gatten geschickt und sanft zu behandeln gewusst habe: wenn er zuweilen, von Geschäften überlastet, beim Mittags- oder Nachtmahl selbstvergessen und andern Dingen nachhängend dagesessen habe, habe sie ihn selber gefüttert und zu essen gemahnt oder gebeten, um diese Zeit aufzuhören zu arbeiten, nachzudenken, zu korrigieren, zu planen; das habe er selber öfters beobachtet. Die dritte und die vierte seien vorzügliche, ernsthafte und glückliche und seiner würdige Frauen gewesen; mit jener sei er vier Monate, mit dieser anderthalb Jahre verheiratet gewesen, mit beiden in heisser Liebe. Und als er schliesslich aus den Stürmen zur Ruhe gelangt sei, habe ihn eine Krankheit ergriffen, die ihn zum grossen Schaden der Wissenschaften nach kurzer Zeit aus dieser Stampfmühle und diesem Tal des Unglücks fortgetragen habe, ruhig, mit einem gewissen Wunsch zu sterben, am 6. Juli, frühmorgens um sechs, nach Basler Zeit sieben Uhr. Am folgenden Tag sei er unter grossem ehrenvollem Geleit der Professoren, Studenten, Bürger, von Fremden und Frauen im Münster begraben worden. Ebenso schnell wie in Basel sei sein Tod an den Universitäten von Freiburg, Heidelberg, Tübingen und anderswo bekannt gewesen. Als Verwandter und Freund habe er ihm ein kurzes Grabgedicht verfasst (es folgt im Druck). Und wegen der verschiedenen Gerüchte und Lügen wolle er darauf hinweisen, dass Oporin bei seinem Tod nur geringe Schulden, aber gewaltige Guthaben hinterlassen habe, die seine Schulden um zweitausend Gulden überträfen, und - hier hat der Theologe Cherler allerdings die ökonomischen Begriffe verwechselt - wenn die Schuldner (nicht die Gläubiger!) so rasch im Zahlen wären wie die Gläubiger (nicht die Schuldner!) im Eintreiben, stünde Oporin finanziell in einem besseren Ruf.

Was schliesslich die Nachfolger seiner Offizin betreffe (Cherler nennt Han und die Gemusaeus nicht), so hätten sie bei vielen grosse Hoffnungen geweckt; und wenn sie wie begonnen fortführen, dürften sie den alten Ruf der Officina Oporiniana bewahren. Sie bemühten sich mit allem Einsatz und Aufwand, die besten Autoren, neue und alte, kleine und grosse, heilige und profane, sofern dem Christentum nützlich und anstehend, schön und fein, möglichst unverderbt und fehlerlos zu drucken. Sie seien zwei, die seine Druckerei übernommen hätten, deren einer schon zuvor als Drucker tätig gewesen sei, während der andere bisher eifrig die Artes, insbesondere die Jurisprudenz studiert habe, beide Basler und beide sehr umgänglich (humanissimus), reich und aus bester Familie. Ihre Namen werde man in ihren Drucken lesen. Sie hätten die Offizin mit dem gesamten Druckmaterial gekauft, auch die restlichen Bücher, die aus vielen Jahren stammten, die sie zu reduzierten Preisen zu verkaufen pflegten. Sie bemühten sich auch, viele Schäden an Exemplaren wiederherzustellen. Doch das genüge. Weiteres werde er in einem zweiten Brief, der diesem beigelegt sei, erfahren (einem privaten, der nicht wie dieser zum Druck bestimmt war). Balthasar Han (1541-1590) hatte sich im August 1559 an der Basler Universität immatrikuliert, war 1562 Baccalaureus geworden; Polykarp Gemusaeus (1538-1572) hatte sich 1553/54 immatrikuliert, sein Bruder Hieronymus (1543-1610) im April 1558. 1565 waren von Cherler - neben theologischen Werken - u.a. Ecclesiae et Academiae luctus... hoc est Epitaphia virorum illustrium bei Oporin erschienen, 1577 erschien ein Lob auf Basel: Urbis Basileae Encomium. Schon am 15. Februar 1568 klagt Hieronymus Wolf Oporin, dass seine Nachfolger mehr auf Gewinn hin arbeiteten und nicht seine Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft zeigten.

Die beiden Bordüren unter dem Text, vom sog. Venusmeister von 1531, stammen aus dem Druckmaterial Andreas Cratanders, das die Gesellschaft Platter-Lasius-Winter-Oporin 1536 zum Teil aufgekauft hatte. Einzelne finden sich auch noch in Drucken des 17. Jahrhunderts.

D B VI 12 Nr. 18

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Signatur: DB VI 12:18

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