Agricola, R.: Rodolphi Agricolae Phrisii, viri utriusque (...). - Basel, 1518

Autor  Agricola, Rudolf, der Ältere
Titel  Rodolphi Agricolae Phrisii, viri utriusque literaturae peritissimi, nonnulla opuscula : quorum catalogum proxima pagella reperies
Impressum  [Basileae] : [apud Andream Cratandrum, et Servatium Cruftanum], [anno 1518]
Umfang  63, [1] Bl. ; 22 cm
Notiz  Mit einer Einleitung von Pierre Gillis und einem Epitaphion von Hermolaus Barbarus
Impressum aus Kolophon: "Basileae, apud Andream Cratandrum, et Servatium Cruftanum, mense Octobri, anno M.D.XVIII."
Signaturen: a-q⁴
Titeleinrahmung, Zierinitialen
Enthält:  Axiochus Platonis, de conremnenda [i.e. contemnenda] morte / Rodolpho Agricola interprete. - Epistola de congressu imparatoris [i.e. imperatoris] Friderici & Caroli Burgundionum ducis / [Arnoldus de Lalaing] ; [Rodolphi Agricolae traductio]. - Paraenesis Isocratis ad Demonicum / e Graeco in Latinum versa
Titelvariante  Nonnulla opuscula Zitiertitel:
Druckort  Basel
Druckerei  Cratander, Andreas (Offizin, Basel)
Kruffter, Servas (Offizin, Basel)
Enthaltene Werke  Plato: Axiochus. - Isocrates: Orationes. Ad Demonicum. - Arnoldus, de Lalaing: De congressu Friderici III imperatoris et Caroli Burgundionum ducis
Weitere Urheber  Gillis, Pierre
Barbaro, Ermolao, 1454-1493
Bibliogr. Nachweis  VD16 A 1123 ; Huisman/Agricola, Nr. 5
Signatur  Rb 362
Anm. zum Exemplar  Handschriftliche Randnotizen

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Schluss des Textes und Kolophon (Bl. q3verso)

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Kommentar

(spl) Wie der Titel verdeutlicht, bietet der 1518 bei Cratander und Cruft herausgegebene Druck ausgewählte Texte in Prosa und Poesie von Rudolf Agricola. Die 19 unterschiedlich langen Gedichte sind im Anschluss an die Prosastücke abgedruckt (welche hier ausser Betracht fallen). Eingeleitet ist die Werkauswahl durch ein Schreiben von Pieter Gillis an den Theologen Martinus Dorpius. Es handelt sich dabei um denselben Brief, welcher schon der bei Martens herausgegebenen Antwerper Ausgabe von 1511 vorangestellt ist, die unter demselben Titel eine beinahe identische Sammlung mit Texten Agricolas bereitstellt [UB Basel, Signatur DH VI 17; zu den verschiedenen vor 1518 erfolgten Editionen mit Gedichten Agricolas siehe Huisman, S. 3-13, 129-132]. Die Textzusammenstellung der beiden Drucke unterscheidet sich darin, dass die Basler Ausgabe im Anschluss an die einleitende Epistel ein vierzeiliges Epigramm Ad lectorem enthält, zusätzlich zu den carmina auf Rudolf von Langen, Caspar, Abt von Mons St. Georgi, und Jodocus Beissel ein Gedicht ad Cribellum suumabdruckt, hingegen nur vier der fünf Epitaphe auf den Bastarden Philipp bringt. Beide Editionen schliessen mit einem zwei Distichen umfassenden Epitaph auf Agricola von Hermolaus Barbarus.

Widmungsbrief von Pieter Gillis an Martinus Dorpius [1]

Das aus der Antwerper Ausgabe übernommene zweiseitige Schreiben lobt die grossartige Bildung von Rudolf Agricola, dessen Werke es wert seien, sogar bei den entferntesten Völkern bekannt zu werden. Ähnlich denkt der Antwerper Humanist über die Schriften des Adressaten, den er auffordert, die Früchte der eigenen Arbeit ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Den Vergleich mit den Römern und den Griechen brauchten beide nicht zu scheuen.

Religiöse Poesie [2]

In die vorliegende Werkauswahl sind drei Gedichte aufgenommen, die sich religiösen Themen annehmen. Ein erstes, etwas mehr als 100 Hexameter umfassendes carmen richtet sich an den heiligen Jodocus, Sohn eines bretonischen Königs aus dem 7. Jahrhundert, dessen kultische Verehrung bis ins Frühmittelalter verfolgt werden kann. Agricola schildert die Lebensumstände des Heiligen und nennt die Beschwerden, welche durch Jodocus’ Hilfe geheilt werden können. Zum Schluss richtet der Dichter einen persönlichen Gruss an den Heiligen, dem er selbst die Genesung von Krankheit verdanke, und wünscht, dieser möge das Gedicht als Votivgabe annehmen.

Mit dem folgenden, in 165 elegischen Distichen gehaltenen Gedicht wendet sich Agricola an Anna, Mutter der Jungfrau Maria, beide beliebte Adressatinnen humanistischer Dichtung. In einer ersten Anrufung spricht Agricola die Unmöglichkeit an, Anna in angemessener Weise zu besingen, deren Tochter es vermocht habe, Gott vom Himmel herabzuführen: Nichts Grösseres und Besseres sei je aus menschlicher Frucht entstanden als eine solche Tochter. Agricola erzählt darauf die Vorgeschichte der Geburt Marias: Wie das Elternpaar lange unfruchtbar blieb und sich der Kinderwunsch erst dann erfüllte, als Joachim, Annas Gatte, sich zu den Hirten zurückzog und Gott anrief. Es folgt der ausführliche Lobpreis von Mutter und Tochter, Anna und Maria. Anna wird als diejenige gerühmt, welche die Bitten eines jeden Menschen erhört, welche Krankheit, Angst und Schmerz lindert. Agricola ruft sich selbst als Zeuge auf, da Anna auch ihn von Krankheit befreit habe. Das Gedicht endet mit einer weiteren Apostrophierung Annas und dem Versprechen des Dichters, den Ruhm der Heiligen in Gedichten zu preisen, solange Stimme und Zunge, Geist, Atem, Mund und Leier es zuliessen (quantum voce queam, quantum contendere lingua, / quantum animo, quantum flatibus, ore, cheli).

Als drittes Gedicht religiösen Inhalts – allerdings erst nach den Gedichten auf Moritz Graf von Spiegelberg abgedruckt – präsentiert der vorliegende Druck einen 24 Hexameter umfassenden Hymnus an alle Heiligen, in welchem die diversen Kategorien der Heiligen in der Reihenfolge des Te Deum gegeben werden.

Epicedion und Epitaph auf Moritz Graf von Spiegelberg [3]

Das Trauergedicht auf den Freund und früheren Mitstudenten Moritz von Spiegelberg umfasst 95 elegische Distichen und weist in der Motivwahl diverse Anklänge an die silvae des Statius auf [vgl. Wiegand, S. 268/269]. Zum Auftakt des Gedichts werden Apollo und die Musen zur Trauer um den Verstorbenen aufgerufen, der als Dichter von höchster Begabung gelobt wird. Darauf meldet sich Kalliope zu Wort, die in der Fiktion des Gedichts nicht nur alle weiteren Verse des Epicedions spricht, sondern auch den Text des im Anschluss abgedruckten Epitaphs vorgibt. In Kalliopes Trost, der sich um die Frage dreht, was nach dem Tod geschieht, verbinden sich christliche, stoische und neuplatonische Anschauungen. Das zehnzeilige Epitaph nennt Emmerich und Köln, wo Spiegelberg als Probst und und als Domherr wirkte, und lobt nochmals die hohe Bildung und den Dichterruhm des Verstorbenen.

Gedichte an vier Freunde [4]

Das erste der vier verschiedenen Freunden gewidmeten carmina umfasst 16 alkäische Strophen und nimmt nicht nur vom Metrum her, sondern auch inhaltlich Bezug auf die Oden des Horaz. Nach dem Vorbild der berühmten Soracte-Ode schildert Agricola eine spätherbstlich-winterliche Landschaft und fordert zum Schluss auf, sich beim Herdfeuer mit Wein zu entspannen. Im Mittelteil jedoch spricht er vom Schrecken der Alpen und rekurriert dabei auf die eigenen Erfahrungen, die er auf dem Weg nach Italien gemacht hat. Verknüpft mit der Beschreibung der furchterregenden Bergwelt sind moralische Appelle. Adressat des Gedichts ist Rudolf von Langen, Münsteraner Humanist und enger Freund Agricolas.

Ein zweites Gedicht, an Caspar, als Abt von Mons Sancti Georgi bezeichnet, ist in 45 elegischen Distichen gehalten und fordert Apollo und die Musen auf, beim Dichten behilflich zu sein, weil die Freude über das Wiedersehen mit dem Adressaten so gross ist. Mehrfach betont der Autor die tiefe Freundschaft, welche ihn und Caspar verbindet.

Das Gedicht an Jodocus Beissel besteht aus 63 Elfsilblern und charaktierisiert den Angesprochenen in catullianischer Manier: Die Rede ist von Spiel und Wein, von Witz und Anmut.

Auch das ebenfalls in Hendekasyllaben gehaltene carmen (55 Verse) an den Mailänder Cribellius stellt sich in die Nachfolge Catulls. Es fordert die Muse auf, mit schnellem Schritt aufzubrechen und vom Adressaten die versprochene Kopie vom Panegyricus des Jüngeren Plinius einzufordern.

Kleine Gedichte [5]

Ein knappes Dutzend kurzer Epigramme rundet die vorliegende Gedichtsammlung ab. Es handelt sich dabei um vier Epitaphe auf den Bastarden Philipp, ein weiteres Epitaph auf die Schwestern Margarita und Lodovica Hampuans sowie einige nur aus einem Distichon bestehende Epigramme.

Weiterführende Literatur

Dörfler-Dierken, Angelika/Schibel, Wolfgang: Rudolf Agricolas Anna mater – Heiligenverehrung und Philosophie. In: Rudolf Agricola 1444-1485. Protagonist des nordeuropäischen Humanismus. Zum 550. Geburtstag, hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Bern et al., 1994, S. 293-354 [enthält eine Edition und eine Prosaübersetzung des Gedichts Anna mater]

Wiegand, Hermann: Mentibus at vatum deus insidet ... Zu Rudolf Agricolas lateinischer Dichtung. In: Rudolf Agricola 1444-1485. Protagonist des nordeuropäischen Humanismus. Zum 550. Geburtstag, hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Bern et al., 1994, S. 261-291 [enthält Editionen und Prosaübersetzungen der Gedichte an Rudolf von Langen und auf Moritz Graf von Spiegelberg]

Schoonberg, P.: Agricola alter Maro. In: Rodolphus Agricola Phrisius 1444-1485. Proceedings of the International Conference at the University of Groningen 28-30 October 1985, hrsg. v. F. Akkerman und A. J. Vanderjagt. Leiden et al., 1988, S. 189-199

Huisman, Gerda C.: Rudolph Agricola. A Bibliography of Printed Works and Translations. Nieukoop, 1985

Titel und Incipits

[1] Widmungsbrief von Pieter Gillis an Martinus Dorpius [zum Text]

Petrus Aegidius Anverpianus, Martino Dorpio theologo, amico iucundiss. s. d.
Incipit: Quum nuper aliquot Rodolphi Agricolae

Ad lectorem
Incipit: Infracto ut possis animo contemnere mortem

[2] Religiöse Poesie [zum Text]

Carmen heroicum de vita divi Iudoci.
Incipit: Regia progenies veterum stirps clara Britannum

Rodolphi Agricolae Anna Mater
Incipit: Anna parens summae genetrix veneranda parentis

[3] Epicedion und Epitaph auf Moritz Graf von Spiegelberg [zum Text]

Rodolphi Agricolae, in mortem Maurici comitis Spegelbergi, epicedion.
Incipit: Phebe veni nigra crines umbrante cupresso

Epitaphium Mauricii a Rodolpho Agricola editum.
Incipit: Ecce spagelbergi comes ordine clausus avorum

Rodolphi Agricolae, de omnibus sanctis, hymnus.
Incipit: Vox resonans toto fundat iam carmina mundo

[4] Gedichte an vier Freunde [zum Text]

Ad Rodolphum Langium, Rodolphi Agricolae carmen.
Incipit: Formosa rerum iam facies perit

Ad Casparem Abbatem montis sancti Georgi Rodolphi Agricolae carmen.
Incipit: Tandem saepe mihi precibus votisque petitum

Rodolphi Agricolae ad Iodocum Besselium hendecasyllabon.
Incipit: Laeto lumine lubricum renidens

Rodolphi Agricolae ad Cribellum suum, ut panegyricum Plinii Secundi mittat, carmen.
Incipit: Arces Insubrium petens potentum

[5] Kleine Gedichte [zum Text]

Rodolphi Agricolae in Philippum, Philippi ducis Brabantiae nothum epitaphium.
Incipit: Hac quicumque via transis, adverte viator

Aliud.
Incipit: Si genus et probitas, magnaeque modestia mentis

Aliud.
Incipit: Quisquis ades, cuius blande mortalia mentem

Aliud.
Incipit: Nomina patris habens, satus at sine lege Philippo

Margaritae et Lodovicae sororum epitaphium.
Incipit: Margarita iacet simul et Lodovica, tenellas

In faciem Ciceronis, initio orationum suarum pictam.
Incipit: Ora vides, audisque diserta tonitrua linguae

In facies duorum amantium pictura expressas.
Incipit: Ecce dat ars oculos, datque ora simillima veris

Rodolphi Agricolae epigramma.
Incipit: Postera quid portet dubium lux, accipe presens

Rodolphi Agricolae car.
Incipit: Quodque feret tempus, fer letus, et aspera forti

Aliud eiusdem.
Incipit: Optima sit vitae quae formula queritis, haec est

Hermolai Barbari, oratoris, Patriarchae Aquileiensis, in Rodolphum Agricolam Epitaphion.
Incipit: Invida clauserunt hoc marmore fata Rodolphum

Erwähnte Personen: Agricola, Rudolf, der Ältere; Dorpius, Martinus; Langen, Rudolf von; Caspar, Abt von Mons sancti Georgi*; Beysselius, Jodocus; Cribellus, Hieronymus; Brabant, Philipp von, Baron von Cruybeke; Philipp I, Herzog von Brabant; Moritz, von Spiegelberg; Hampuans, Margarita*; Hampuans, Lodovica*

Themen: Historisch: Alpen

Themen: Poetisch: Epigramm; Hendekasyllabus, phaläkeischer; Phaläkeischer Hendekasyllabus; Alkäische Strophe; Strophe, alkäische; Hexameter; Elegisches Distichon; Distichon, elegisches; Epitaph; Epicedion; Panegyricus; Hymnus

Themen: Literaturhistorisch: Cicero, Marcus Tullius; Statius, Publius Papinius; Horatius Flaccus, Quintus; Plinius, minor; Catullus, Gaius Valerius

Themen: Philosophisch, Theologisch: Jodocus (Heiliger); Anna (Grossmutter von Jesus); Maria (Jungfrau); Joachim (Vater der Maria); Stoa; Neuplatonismus; Heilige

Themen: Mythologisch: Apollo; Musen; Kalliope

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