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Erasmi Roterodami Germaniae decoris Adagiorum Chiliades tres, ac centuriae fere totidem. Basel: Johannes Froben August 1513. Fol.

Der erste Basler Druck mit umfangreichen griechischen Texten ist ein lateinisches Werk, doch finden sich in der Neubearbeitung seiner Sammlung antiker Sprichwörter aus griechischen und römischen Schriftstellern durch Erasmus von Rotterdam von Venedig 1508 so viele und so ausführliche Zitate in griechischer Sprache, dass er mehr griechischen Text enthält als mancher kleine rein griechische Druck, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts ausserhalb Italiens in Frankreich und im deutschen Sprachgebiet für den Unterricht gedruckt wurde: zuerst 1507 in Paris ein Teilnachdruck der Aldina des Theokrit, weiter Nachdrucke italienischer Ausgaben der damals noch als Werk Homers geltenden Batrachomyomachie (Froschmäusekrieg) und Hesiods als Schullektüre, der Erotemata des Manuel Chrysoloras, der Sprüche der Sieben Weisen und Verwandtes. In unserm Jahr 1513 erschien die Batrachomyomachie griechisch und lateinisch in Wittenberg, auch das für den Griechischunterricht.

Im Jahre 1500 war in Paris als erster Druck eines Werkes des Erasmus eine Sammlung von etwa 800 antiken griechischen und vor allem lateinischen Sprichwörtern mit kurzen Erläuterungen zu einem jeden erschienen, die "Collectanea adagiorum" oder "proverbiorum". Sie sind hier mehrmals nachgedruckt worden, 1506 in leicht erweiterter Form - bis Erasmus 1508 in Venedig bei Aldus Manutius eine während des Druckes auf mehr als das Vierfache anwachsende völlige Neubearbeitung dieser Sammlung, die "Adagiorum Chiliades" herausgibt. In Paris hatte Beatus Rhenanus während seines Studiums von 1504-1507 - neben dem er auch an der Drucklegung von Schriften seines Lehrers Faber Stapulensis mitgewirkt hatte - sämtliche bis dahin erschienenen Schriften des Erasmus erworben, darunter auch den Erstdruck der "Adagiorum veterum Collectanea". Im Frühling 1509 veranlasst er in Strassburg, wo er nun in der Offizin seines ehemaligen Schlettstädter Schulkollegen Mathias Schürer arbeitet, diesen, die letzte erweiterte Pariser Ausgabe dieser Collectanea nachzudrucken. Sie erscheint als erster Erasmus-Druck im deutschen Sprachgebiet, neu mit einem nützlichen alphabetischen Register. Als Rhenanus zum weiteren Griechischstudium nach Basel zu Johannes Amerbach und seinem Mitarbeiter Johannes Cuno übersiedelt, schenkt ihm Schürer die grosse Ausgabe der Adagia von 1508, den einzigen bedeutenden Erasmus-Druck, der ihm noch fehlte. Im Mai 1512 erfährt der Pariser Drucker des Erasmus, Jodocus Badius Ascensius, der 1506/07 die vermehrten Collectanea gedruckt hatte, und mit dem Erasmus nun von England aus wegen einer wiederum erweiterten Ausgabe der Chiliades Adagiorum verhandelt, von einem Pariser Freund des Rhenanus aus Ravensburg, dass "in Alemannia" (in Deutschland) die Aldina nachgedruckt werde. Er befürchtet, dass dies auch in Paris geschehen könne, wenn Erasmus mit seiner bei ihm geplanten Neuausgabe weiter zögere, und dass dann der Kaufbedarf auf Jahre hinaus gedeckt sein werde. Der hier von Badius angekündigte Nachdruck der Chiliades ist das Werk, das hier vorliegt. Sein Geleitbrief, datiert vom 14. August 1513, steht unter dem Namen Johannes Frobens, doch die noch erhaltenen Entwürfe zeigen, dass er von Bruno Amerbach, einem der Söhne des Druckers Johannes Amerbach und Teilhaber der Nachfolgeoffizin Frobens, verfasst und von Rhenanus u.a. mit einem Lobpreis des Erasmus ergänzt worden ist. Rhenanus dürfte es gewesen sein, der Wolfgang Lachner, Frobens Schwiegervater, und Froben den Nachdruck der Adagia geschäftlich schmackhaft gemacht hat, ein Werk, das sich zunächst unter ihrer sonst eher scholastischen Produktion recht fremd ausnahm; er konnte darauf hinweisen, dass Schürer seine empfohlene erste Auflage von 1000 Exemplaren in einem Jahr verkauft hatte. Und er sollte recht behalten: Frobens Nachdruck hat sich schnell verkauft, schneller als zuvor seine Venezianer Vorlage. Anderseits wäre vom Umfang des Werkes her - sowohl des lateinischen wie des nicht mehr so geringen griechischen Textes wie in den Collectanea - Mathias Schürer in Strassburg auch wohl kaum in der Lage gewesen, den Folianten von 500 Seiten zu drucken, zumal nicht in dieser Qualität: zahlreiche Fehler der Aldina sind in Basel korrigiert. Im Dezember 1513 hält Erasmus in England ein Exemplar des Nachdrucks in Händen. Seine Ähnlichkeit mit der Vorlage erfreut ihn keineswegs. Noch mehr empört ihn, dass ein Buchhändler und Vermittler, der Kölner Buchhändler und Englandexporteur Franz Birckmann, die Manuskripte, die er Badius zum Druck nach Paris überbringen sollte, ebenfalls diesem Kerl in Basel ausgehändigt hat, darunter die erweiterte Neubearbeitung der "Adagia" - immerhin besitze er noch eine sogar reichlichere Fassung. Des Erasmus Empörung über den "deutschen Betrug" legt sich erstaunlich rasch. Da er auch Birckmann schon bald wieder gewichtige Aufträge anvertraut, dürfen wir wohl annehmen, dass dieser selber Erasmus sehr bald von der Tätigkeit und Sorgfalt der Basler Offizin und damit vom Nutzen seines unkorrekten Vorgehens überzeugt hat. Im Sommer 1514 reist Erasmus zu kurzem Aufenthalt nach Basel - den Winter will er in Rom verbringen - und bringt seine druckreifen wie die in Arbeit befindlichen Manuskripte zur Veröffentlichung beim ihm noch unbekannten Froben mit.

Auch eine der ersten "humanistischen" Titeleinfassungen hat man als Schmuck für den Titel des Werkes anfertigen lassen, passend zu seinem Inhalt, den Sprichwörtern aus griechischen und römischen Autoren: am oberen Fries stossen und ziehen, zwischen den Wappenschilden des Reiches und Basels, Vergilius und Tullius (Cicero), Homerus und Demosthenes den Wagen der Humanitas, während Kairos und Nemesis den Text des Titels flankieren: der signierte Holzschnitt Urs Grafs ist eine der ersten Titeleinfassungen im deutschen Sprachgebiet.

Das Basler Exemplar ist Geschenk des Druckers an die Kartause gewesen: D B IV 10

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: DB IV 10

Illustrationen

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Besitzervermerk auf Spiegelblatt: Geschenk des Druckers Froben an die Basler Kartause

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Titelseite mit signiertem Holzschnitt von Urs Graf: Am oberen Fries stossen und ziehen, zwischen den Wappenschilden des Reichs und Basels, Vergil und Tullius (Cicero), Homer und Demosthenes den Wagen der Humanitas, während Kairos und Nemesis den Text des Tiels flankieren

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Vorrede an den Leser, angeblich von Johannes Froben, tatsächlich aber von Bruno Amerbach verfasst und von Beatus Rhenanus mit einem Lobpreis des Erasmus ergänzt, datiert vom 14. August 1513

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Vorrede von Erasmus an Gulielmus Monioius, 1. Seite

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Vorrede von Erasmus an Gulielmus Monioius, 2. Seite

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Textseite mit dem Sprichwort "Sileni Alcibiadis", das hier nur fünf Zeilen umfasst, in der Ausgabe von 1515 jedoch auf mehrere Seiten ausgedehnt ist

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