GG 38

Demetrij Chalcondylae Erotemata, sive Institutiones Grammaticae, initiandis Graecae linguae studiosis, vel magno Budaeo teste, accommodatissimae: una cum Melioris Volmarij Erythropolitani praefatione, in qua de ratione discendae linguae Graecae nonnulla, dignissima cognitu. Accessit item, Emmanuelis Moschopuli de Nominum ac verborum Syntaxi libellus. Basel: [Johannes Oporin] Juni 1546. 8°.

Im Jahre 1493 waren die "Zusammengefassten Fragen zu den acht Wortarten...", die Erōtēmata synoptika tōn oktō tou logou merōn..., des Atheners Demetrios Chalkondylas (auch Chalkokondylas, 1424-1511) zum erstenmal im Druck erschienen, in Mailand bei Ulrich Scinzenzeler (die Basler Bibliothek besitzt das Exemplar Johannes Amerbachs, dann seiner Söhne: D F IV 1). Bis zum unsern war es, obwohl das Werk, wie die Vorrede unseres Druckes - und ein ungewöhnlicher Hinweis im Titel - zeigt, von bedeutenden Gräzisten des Westens sehr geschätzt wurde, einzig noch ein Mal, 1525 in Paris erschienen, auch da schon herausgegeben wie unser Druck von Melchior Volmar, damals in Paris. Chalkondylas lebte seit 1449 in Italien, war Lehrer des Griechischen in Perugia und Padua, dann in Florenz, wo Angelo Poliziano, Giovanni Pico della Mirandola und Johannes Reuchlin seine Schüler waren, und seit 1492 in Mailand. Ihm werden die Erstausgaben Homers (Florenz 1488), des Isokrates und der Suda (Mailand 1493 wie unsere Grammatik, bzw. 1499) verdankt. Das beigegebene Werk des Manuel Moschopulos (um 1265 - um 1316), eines der bedeutendsten Philologen der Palaiologenzeit, eines Schülers und Freundes des Maximos Planudes, über die Syntax war zum erstenmal 1525 zusammen mit der Grammatik des Theodoros Gaza bei Aldus Manutius in Venedig erschienen, im folgenden Jahr nochmals in der gleichen Zusammenstellung bei den Erben Philippo Giuntas in Florenz. Auch hiervon war bis 1546 kein weiterer Druck und auch keine Übersetzung erschienen. 

Herausgeber unserer Ausgabe ist der aus dem mit der Eidgenossenschaft verbündeten Rottweil stammende Melchior (Melior) Volmar (1497-1561). 1518 war er Schulmeister in Freiburg und Bern gewesen, 1521 hatten ihn die Berner für ein königliches Stipendium zum Griechischstudium in Paris empfohlen. Nach diesem hatte er als gesuchter Privatlehrer in Orléans, dann als Professor des Griechischen in Bourges gewirkt; an beiden Orten waren Théodor de Bèze und Jean Calvin seine Schüler gewesen. Nach dem Wegzug aus Frankreich 1534 aus konfessionellen Gründen war er 1535 in Tübingen Professor der Rechte (Studium bei Alciat in Paris), 1541 nach der Berufung des Camerarius nach Leipzig dessen Nachfolger für Griechisch und Latein geworden (bis 1556). Aus Tübingen vom 25. Dezember, dem Festtag der Geburt des Herrn, vor Sonnenaufgang, datiert seine Widmung von 27 1/2 Seiten in Kleinkursive, die - mit erstaunlichen pädagogischen Einsichten aus der Praxis - u.a. eine ganze kritische Geschichte des Griechischunterrichts seiner Zeit und einen Abriss seiner Methodik bietet, an den humanistisch gebildeten Reformator von Konstanz Ambrosius Blaurer von Giersberg (Konstanz 1492 - Winterthur 1564), dessen Mutter aus Rottweil stammte und der zudem Volmar in Tübingen getroffen haben dürfte, als er 1534-1538, bis zur Entlassung durch die Lutheraner, im Auftrag Herzog Ulrichs Württemberg nach versöhnlich zwinglianischer Lehre hatte reformieren sollen. Danach wirkte er in Konstanz für eine Reform und einen Neuaufbau des Schulwesens, was nochmals Anknüpfungspunkte zu Volmar ergab. Volmar entschuldigt sich denn auch gleich zu Beginn seiner Widmung, das Versprechen eines längeren Briefes aus Zeitmangel und in der Erwartung einer Mission in seine Stadt (Volmar wurde von Herzog Ulrich wiederholt mit Gesandtschaften, u.a. nach Frankreich, betraut) - wo er ihm alles hätte erzählen können - nicht erfüllt zu haben. Eine Änderung des Reiseplans habe ihn auch darum gebracht. So habe er an seinen Schwiegervater in Isny (woher seine Gattin stammte) gedacht oder vielmehr im vergangenen Herbst an Meersburg, wo jener damals seinen Wein gelesen habe. Von dort hätte er (über den Überlinger See nicht mehr als zwei Meilen) bequem zu ihm kommen können. Doch Hoffnungen seien trügerisch und seine Vorfreude habe ihm ein negativer Deus apo mēchanēs beendet: zuerst habe ihn die einst im Franziskanerkloster aufgelesene Erkrankung des einen Schienbeins (die er wohl immer mit sich werde herumtragen müssen), dann unerwartet auch die Gelbsucht niedergeworfen. Darm-, Gallen- und Augenleiden seien hinzugekommen, aber so habe er nun wenigstens Zeit, seinen Freunden zu schreiben bzw. Briefe zu diktieren. Sonst bliebe kaum Zeit zum Essen. Er solle auch die Gründe seiner Belastung wissen: als Joachim Camerarius, der, wie er wisse, hier lange mit grossem Ruhm das Studium der Sprachen und der humanitas geleitet habe, weggegangen und niemand für eine würdige Nachfolge zur Hand gewesen sei (im Herbst 1541 war Camerarius auf Berufung durch Melanchthon an die Universität Leipzig gezogen), hätten Fürst und Universität beschlossen, da nur Wenige derzeit in der Gegend die Literatur, das heisst das wahre Studium wirklich betrieben hätten (die Literatur hiess damals: die griechische und lateinische Sprache und Literatur), die meisten es als unheilbringend, zumindest vermögensschädlich abgelehnt hätten, dagegen eine Menge als Rechtsgelehrte herumstolziert seien, dass er, damit die Universität durch den Niedergang der Sprachen, Künste und Wissenschaften nicht Schaden nehme, beides versehen solle. Er habe gehorcht, nicht etwa aus Ehrgeiz oder Verlangen, die Fächer zu wechseln (er hatte bis dahin, jedoch nur mit französischem Studienabschluss unter Alciat, die Rechte gelehrt). Doch sei die Anstellung des Camerarius erträglicher gewesen: jener habe nur Latein gelehrt, er müsse auch Griechisch lehren. Und was jener ihm an Gelehrsamkeit voraushabe, das müsse er durch Arbeit und Gewissenhaftigkeit gutmachen. So müsse er zwei Stunden täglich öffentlich lehren: die eine gelte Livius und der Aeneis, die andere Aeschines und Demosthenes sowie der Ilias. Zudem habe es viele Griechischanfänger, für die man, wie für jeden Anfang, besonders Sorge tragen müsse. Mit Hesiod und Horaz sei ein guter Anfang schon die Hälfte des Ganzen. Das wisse er von seiner eigenen Kindheit her. Heute lernten mehr Menschen ohne Mühe, geradezu im Spiel und Scherz und im Schlaf innert weniger Monate, was sie seinerzeit in vielen Jahren mit grossen Anstrengungen kaum erreicht hätten: da müsse die Zeit schuld gewesen sein und diejenigen, die kritik- und sorglos, was an Grammatik vorhanden gewesen sei (vom Übrigen wolle er jetzt nicht reden) ihnen diktiert und auswendig zu lernen (legenda atque ediscenda) aufgegeben hätten. Ohne zuverlässige Grundlage stürze alles zusammen. Daher würden heute gute Lehrer sich einzig darum bemühen, ihnen zur Bildung anvertraute zarte Jungen klug so zu unterrichten, dass sie, durch beste Grundlagen in beide Sprachen eingeweiht, auf kürzestem Rundgang und gerafftem Weg so schnell wie möglich ans Ziel gelangten. Das könne er an ehemaligen Schülern zeigen, die keinem Gelehrten nachstünden und ihn selber schon weit überträfen, da sie hier in Tübingen, der weitaus besten Universität Deutschlands, die Anfangsgründe in einer Zusammenfassung aus den besten Grammatiken bei ihm gelernt hätten. Emmanuel Chrysoloras habe er (soweit er griechisch Geschriebenes verstehen könne und durch lange Übung und Lehrerfahrung gelernt habe) unter den griechischen Autoren immer für besonders geeignet gehalten, denn die Lehren des allgemein höchstgeschätzten Grammatikers Theodorus von Thessalonike (Theodorus Gaza) seien zu gewichtig für dieses Alter. Die Epitome des ersten Buches aber habe den Inhalt zwar feinstens, aber für den Schulunterricht allzu knapp zusammengefasst. Und das vierte Buch, das mehr aus Apollonius (den nur zum kleinen Teil erhaltenen, durch ihren knappen Stil für dunkel - schwierig - geltenden Schriften vorwiegend zur Syntax des Apollonios Dyskolos aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.) und andern als Eigenes enthalte, gelte sogar für die Griechen als zu kurz und dunkel. Für Fortgeschrittene eigneten sich die Lehrsätze dieses vierten Buchs. Im folgenden behandelt Volmar Laskaris (d.h. die Schulgrammatik "Erotemata..." des Konstantinos Laskaris, die zuerst 1476 in Mailand erschienen war), Urbanus , d.h. die Grammatik des Urbanus Valerianus Bolzanus, die sehr geschickt sei, bis auf den Punkt, dass es weit besser sei, Griechisch auf griechisch zu lernen. Wer auf beiden Wegen unterrichtet habe, werde das nie bezweifeln. Neben der Erlernung der Grammatik würden die Knaben zugleich die griechischen Buchstaben durch Gewöhnung sogar gegen ihren Willen sich einprägen, die Silben kennenlernen, auch die, die von Schreibern und Druckern (librarii) zur Abkürzung mehr durch Merkmale gekennzeichnet als geschrieben bzw. gedruckt würden (scribuntur), woraus die Aussprache und ohne jede Schwierigkeit das Lesen folge. Wenn ein Knabe diese Grundlagen zur Lektüre der Autoren mitbringe, werde er in Kürze grossen Nutzen ziehen. Denn wer sich nicht mehr um jenes kümmern müsse, könne sich ganz dem Verständnis der Texte widmen. Nicht dass er erst nach vollständiger Beherrschung der Grammatik die Knaben zur Lektüre oder Anhörung der Autoren hinüberführen wolle, vielmehr müsse man sogleich zu Beginn einen Autor reinen und leichten Stils, zum Beispiel einen gut überlieferten Dialog Lukians, einen der auch zur sittlichen Erziehung der Knaben passe, dem Unterricht in den Regeln beifügen. Als stilistisch verwandt, inhaltlich als gegensätzliche Ergänzung pflege er gleichzeitig oder kurz danach ein Büchlein von Johannes Chrysostomus vorzulegen. Man könne die Lehren nur behalten, wenn man neben dem neuen Lernstoff den früheren durch Beispiele aus solchen Autoren einübe. Für jemand, der diesen Lernweg gehe, mache es nicht viel aus, ob er die Regeln auf griechisch oder auf lateinisch lerne. Eine griechisch verfasste Grammatik bringe zugleich den Nutzen, dass man die Begriffe dabei lerne. Weiter sei von Vorteil, einen Lehrer zu haben, der mit lebendiger Stimme vortrage; wer ohne einen solchen nur durch Lesen und sogenannte stumme Lehrer (d.h. allein aus Lehrbüchern) lernen müsse, verwende am besten Urbanus. Doch er müsse dann den zweibändigen Venezianer Druck von 1512 oder einen seiner Nachdrucke aus Deutschland verwenden (auch in Basel ist das Lehrbuch mehrmals erschienen), nicht den einbändigen des Aldus von 1497, der ohne Wissen des Urbanus erschienen sei (das Basler Exemplar der Aldina von 1497 hat dem Drucker Johannes Amerbach, dann seinen Söhnen gehört, und Bruno und Basilius Amerbach haben es, wie ihre zahlreichen Notizen zeigen, fleissig benützt: natürlich hat auch Johannes Cuno sie besessen, immer wieder gebraucht und annotiert, in andern Notizen auf sie Bezug genommen - sie ist dann durch seinen Erben Beatus Rhenanus nach Schlettstadt gelangt - und gewiss auch für seinen Unterricht in Basel verwendet; vom Druck des Johannes Tacuinus von 1512 besitzt die Basler Bibliothek noch zwei Exemplare: das eine hat Bonifacius Amerbach, der jüngste der drei Brüder, 1517 erworben und ebenso fleissig benützt und annotiert wie der Erstbesitzer des andern das Seine, das dann 1644 aus dem Besitz des Maximilian Pantaleon in den Remigius Faeschs gelangt und so in die Bibliothek der Universität gelangt ist: Simon Grynaeus). In der Folge führt Volmar die Vorzüge des Urbanus weiter aus, der eben seine Grammatik nicht für eine Publikation, sondern für seine Schüler (d.h. aus der pädagogischen Praxis heraus) verfasst habe, und weist auf den mindern Wert späterer Autoren hin, die für die Anfänger unnötig Bruchstücke anderer Sprachen beifügten (was auch schon Glarean in seiner Vorrede zur Ausgabe Curios von 1524 (GG 32) kritisiert hat), aber auch für die Fortgeschrittenen nicht sorgten. Für den schlimmsten Fehler führt er sich selber als Beispiel eines Opfers an: als er sich vor etwa zwanzig Jahren zum Griechischstudium nach Paris begeben habe (s. oben), wo es damals noch weniger Griechischlehrer gegeben habe, habe er sich geschämt, ohne Fortschritte im Griechischen wieder heimzukehren, und, im Bewusstsein der Schwierigkeiten, ohne Lehrer die Sprache zu studieren versucht, worin ihn u.a. das Beispiel des Budaeus bestärkt habe, der ohne einen Lehrer zu seiner Meisterschaft gelangt sei (er war der bedeutendste Gräzist jener Zeit in Frankreich, und auch als solcher anerkannt). Auch wenn man nie so weit gelangen würde, dürfe man nicht von vornherein aufgeben. Nur müsste man nicht nur dem Beispiel jener Männer, sondern auch ihrem Rat folgen können. So sei er wie ein Schiff ohne Steuermann umhergetrieben und auf die Aldina des Urbanus gestossen, die damals allein verfügbar gewesen sei (für ihn in Paris käuflich, vgl. oben). Zusätzlich zur Schwierigkeit, dass er dem Anfänger so viele Sprachen zugleich, aber keine Beispiele biete, ohne welche Regeln sich nicht einprägen liessen, habe er, da jener für die poetische Sprache Homer, Hesiod und Theokrit zitiere, um sich die Regeln durch Beispiele einüben zu können, in falscher Reihenfolge vor den Rednern verkehrt mit deren Lektüre begonnen. Der Unterricht sei in den beiden Sprachen nicht gleich zu beginnen: im Latein könne man durchaus mit Versen Vergils oder des Horaz beginnen, im Griechischen müsse man Anfänger von allen Versen fernhalten. Bei Terenz spreche man, abgesehen von der Metrik, Alltagssprache; deshalb könne man im Griechischen Aristophanes als Attiker durchaus auch aufnehmen. Da er, Blaurer, alle seines Standes an Beredsamkeit überrage, wolle er ihn als Beispiel nehmen: wenn ein Fremder und Fremdsprachiger zu ihnen käme und die deutsche Sprache lernen wolle, würde er ihm nicht auch, statt der Eigentümlichkeiten der einzelnen oder auch nur einer Anzahl von ihnen eher eine allen gemeinsame Form der Sprache beibringen ? (ein ungewöhnlich früher Hinweis auf eine Bewusstwerdung der zahlreichen verschiedenen deutschen "Sprachen" oder "Dialekte": Vollmar stammt aus Rottweil, hat in Freiburg und Bern gewirkt und ist nun in Tübingen tätig, Blaurer in Konstanz) Im folgenden weist Volmar auf den Wandel des Wortschatzes in jeder Sprache hin, auf eigentümliche und übertragene Bedeutungen von Wörtern, was alles Anfängern Schwierigkeiten bereite, Allegorien usw., poetische Freiheiten, die im Griechischen viel zahlreicher und vielfältiger seien als im Latein (das Deutsche wird ja gar nicht auf dieser Stufe unterrichtet). Nicht einmal ein Erfahrener in diesen Dingen könne das alles beherrschen. Als er dann nach zweijährigem Studium Ilias und Odyssee vollständig verstanden habe, habe ihm das für die Historiker und Redner überhaupt nichts genützt; keine drei Zeilen im leichtesten Dialog Lukians, nicht einmal die Scholien zu Homer (denn Eustathius sei ihm noch nicht greifbar gewesen - er ist erst 1550 in Rom erschienen, danach in Basel) habe er allein verstehen können. Da sei ihm Jacobus Thusanus erstanden: der vollkommenste Schüler des Budaeus habe von sich aus oder auf dessen Empfehlung für die zahlreichen Griechischstudenten im Gymnasium von St. Michel den gerade einzeln erschienenen Dialog Anacharsis von Lukian öffentlich zu erklären begonnen (es muss sich um den nur noch in wenigen Exemplaren erhaltenen Druck Treis Dialogi, Anacharsis, Navigium, De saltatione des Gilles de Gourmont, Paris um 1522, handeln; Toussain, 1498-1547, lebenslang mit Budé befreundet, studierte seit 1513 in Paris, lehrte auch schon vor seiner Magisterpromotion von 1521, wurde dann 1530 durch Einwirken Budés Professor am Collège Royal; bekannt ist er vor allem durch sein Lexicon Graeco-latinum, Paris 1552, das dann auch in das Basler Lexikon eingearbeitet worden ist). Er habe seine Ausbildung ihm ganz anvertrauen wollen und sei mit französischer Freundlichkeit (humanitas) aufgenommen worden (d.h. als privater Schüler). Er habe ihn, als er an der öffentlichen Vorlesung nicht mehr genug gehabt habe, zu seinen privaten Studien und dem einiger Reden des Isokrates zugelassen. Dies habe ihm in der Ausbildung so gedient, dass er nun meine, der Unterricht müsse mit den Rednern, nicht mit den Dichtern beginnen. Hierbei müsse man verweilen, bis eine gemeinsame sprachliche Grundlage bestehe, auf der man das Übrige aufbauen könne, so dass die Kommentare der Dichter vor diesen selber verständlich würden. Denn was diese in ihrer eigentümlichen, fast bildlichen Weise verkündeten, würden jene parallel in gewöhnlicher Sprache erklären. Wenn ein Jüngling dann beide mit einander vergleichen könne, habe er in Kürze eine erstaunliche Kenntnis beider Darstellungsweisen erworben. Darum müsse von Anfang an die gewöhnliche Sprache erlernt werden. Für dafür geeignet habe er immer die Grammatik des Chrysoloras gehalten, auch wenn hier ebenfalls einiges fehle (was Volmar in der Folge aufzählt; Manuel Chrysoloras aus Konstantinopel hatte seit 1396/97 als Lehrer der griechischen Sprache und Literatur in Florenz gewirkt, von 1400 an in Mailand und Pavia, war seit etwa 1404 byzantinischer Gesandter in Venedig, seit 1408 in päpstlichen Diensten und ist 1415 während des Konzils in Konstanz gestorben; seine Erōtēmata sind vollständig zuerst um 1496 und um 1498/1500 in Florenz erschienen, in der gekürzten Fassung des Guarinus Veronensis schon vor 1500 sechsmal in Vicenza, Parma und Venedig, worauf allein bis um 1522 noch elf Drucke in Italien, Paris zuerst 1507, Alcalá de Henares 1514 und Strassburg 1516 gefolgt sind; erster Basler Druck: bei Johann Bebel 1528 mit Übersetzung des Albanus Torinus). Damit er nicht immer Ergänzungen dieser Mängel anderswo entlehnen müsse, habe ihm einst in Paris Petrus Danesius ein Exemplar des hier vorliegenden Werkes gegeben und beigefügt, dass kein Grammatiker so auf den Unterricht im Griechischen ausgerichtet sei, dass man nicht auch sein eigenes Urteil gebrauchen müsse. Und die Gelehrsamkeit des Danesius habe er oft erprobt (der wie Volmar 1497 geborene Pierre Danes war, ihm ähnlich, Schüler des Janus Lascaris und Budés, Geistlicher und wurde dann 1530 Professor für Griechisch im von Franz I. neu gegründeten Collège Royal). Er habe auch selber rasch den Wert des Chalcondylas erkannt. Bei diesem Anfängerunterricht brauche man nichts zu streichen und nichts hinzuzufügen. Aber auch Budaeus habe auf seine Fragen das bezeugt und ihn ermuntert, das Lehrbuch bei erster Gelegenheit in verbesserter Form zum Nutzen aller studiosi drucken zu lassen, die sich um die Kenntnis der Sprachen (artium optimarum) bemühten. Das habe er bald unter Beifügung eines Briefes gleichen Inhalts getan (diese erste Ausgabe Volmars erschien 1525 in Paris, mit dem Hinweis im Titel "graece initiandis mire utilis"). Da die hier vorliegende Darstellung dort angefangen und gleichsam erst in Umrissen skizziert gewesen sei, die hiesigen Verleger-Drucker (librarii) das Werk aber auch auf ihren Pressen hätten drucken wollen, habe er beschlossen, nach bestem Vermögen für die Lernenden zu sorgen und jene Darstellung vervollständigt an die Stelle des früheren Briefes zu setzen, gegen das Urteil jener Leute, die über ihren eigenen schönen Erfindungen einschliefen und alles Fremde heruntermachten, im Vertrauen auf die Wahrheit. Im folgenden bestätigt Volmar die Begabung des jungen Bayern Hieronymus, der aus Augsburg zu ihnen gekommen sei und den Blaurer aus Liebe zu seiner Mutter ihm anvertraut habe (wohl der 1533 geborene spätere Gutsherr Hieronymus Fugger, Sohn Anton Fuggers und der Anna Rehlinger). Er habe ihn in seinem Hause und zu Privatunterricht, zu dem ihm schon andere vornehme Jünglinge anvertraut gewesen seien, aufgenommen und könne nur Bestes melden. Seinen öffentlichen Unterricht in Rhetorik (disserendi emendate, credibiliter, polite rationem) habe er allerdings nicht nochmals bei sich zu Hause halten wollen, da das ein Zeitverlust sei; doch da seine Vorgänger und Kollegen ihren öffentlichen Unterricht auch noch zu Hause abhielten und sich das so eingebürgert habe, habe er die Eltern nicht vor den Kopf stossen dürfen. Dem Willen der Eltern müsse man immer nachgeben, der Anfang der Erziehung sei das Wichtigste. Darum habe auch ihr Fürst Ulrich sich mit hohen Löhnen um die besten Lehrer (wie er jedenfalls meine) für seine Jugend bemüht. Und mehr als das: auch für die der Nachbarn und ganz Deutschlands, die sie schicken könnten. So habe auch er an der prunklosen frommen Erziehungsarbeit mitgewirkt. Und daraus könne Blaurer lernen: es genüge keineswegs, den Jünglingen den Stoff irgendwie vorzulegen: eines jeden Geist müsse erforscht werden, ebenso was seine Schultern zu tragen vermöchten; zu jedem Einzelnen müsse man sich herablassen, den vorgetragenen Stoff zwei, drei Mal wiederholen, bei Missverständnis verbessern. Alle zwei Tage ihre schriftlichen Arbeiten verbessern, täglich ihre Sprache, die nur lateinisch oder griechisch sein dürfe. Zudem bestehe vollkommene Bildung und Gelehrsamkeit nicht nur in einer Kenntnis der Sachen und Sprachen, sondern auch in ihrem Vortrag, den man nur im Umgang mit Freunden und durch wiederholte Übung erlernen könne. Ausserdem seien die Begabungen verschieden, der eine lerne leicht, ein anderer weniger. Wenn man früh beginne, würden alle wenigstens bis zu den Anfängen gelangen. Wenn Blaurer nun all das lese, werde er ihn nicht mehr wegen des Unterbruchs im Briefwechsel tadeln. Ihre Freundschaft und seine Wertschätzung für ihn habe diesen Brief bewirkt. Keiner schätze sein Ansehen und sein nützliches Tun (Volmar denkt hier wohl an seine Konstanzer Schulreform) mehr und er wolle ihm und den Seinen vergelten: seinem Bruder Thomas und Conrad Zwick, ihren beiden Bürgermeistern. Grüssen solle er auch Harder von Giltlingen und Baltazar von Gertungen. Vor kurzem sei der Arzt Wolfgang Thaluserus von hier nach Augsburg gezogen; wenn ihnen hier nun der Arzt fehle, so habe er doch dort grosse Gesellschaft. Worauf Volmar zehn Gelehrte von Peutinger über Betuleius zu Musculus als kommende nützliche Freunde des Thaluserus aufzählt.

Die Beigabe der Syntax des Manuel Moschopulos (um 1300), die zuvor erst 1525 bzw. 1526 in Venedig und Florenz im Anhang an die Grammatik des Theodoros Gazes erschienen war, dürfte, da Volmar sie mit keinem Wort erwähnt, ein Werk Oporins sein.

Das Exemplar D B IX 97 Nr. 1 ist 1948 im Tausch von der Stadtbibliothek Biel erworben worden.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: DB IX 97:1

Illustrationen

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Titelseite

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2ar: Vorrede des Melchior Volmar an den Reformator von Konstanz Ambosius Blaurer von Giersberg, 1. Seite.

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2av/3ar: Vorrede des Melchior Volmar, 2. und 3. Seite.

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3av/4ar: Vorrede des Melchior Volmar, 4. und 5. Seite.

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4av/5ar: Vorrede des Melchior Volmar, 6. und 7. Seite.

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5av/6ar: Vorrede des Melchior Volmar, 8. und 9. Seite.

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6av/7ar: Vorrede des Melchior Volmar, 10. und 11. Seite.

Buchseite

7av/8ar: Vorrede des Melchior Volmar, 12. und 13. Seite.

Buchseite

8av/1br: Vorrede des Melchior Volmar, 14. und 15. Seite.

Buchseite

1bv/2br: Vorrede des Melchior Volmar, 16. und 17. Seite.

Buchseite

2bv/3br: Vorrede des Melchior Volmar, 18. und 19. Seite.

Buchseite

3bv/4br: Vorrede des Melchior Volmar, 20. und 21. Seite.

Buchseite

4bv/5br: Vorrede des Melchior Volmar, 22. und 23. Seite.

Buchseite

5bv/6br: Vorrede des Melchior Volmar, 24. und 25. Seite.

Buchseite

6bv/7br: Vorrede des Melchior Volmar, 26. und 27. Seite.

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6bv/7br: Vorrede des Melchior Volmar, 28. Seite.

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1alphar: Beginn der Erotemata des Demetrios Chalkokondyles.

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7piv: Kolophon