GG 104

Plutarchi Cheronei Graecorum Romanorumque illustrium vitae. En denuo tibi exhibemus humanissime Lector, omnium quos summis felicissimisque temporibus Graecia, quos Latium principes viros tulit, eminentissimarum in rebus omnibus gerendis virtutum speciosissimos flores, illustrissima exempla, historiae veteris sine dubio medullam, ex graeco fonte summa vigilantia iterum iam, suora novissimam castigationem, haud levi opera iudicioque repurgatum exemplar, exordijs, epilogisque omnibus qui desiderabantur, restitutis: tum autores... Basel: Michael Isingrin August 1542. Fol.

Als Ergänzung ihrer lateinischen Ausgabe der sog. Moralia Plutarchs von 1541 (GG 96) bringen Hieronymus Gemusaeus und Isingrin im August 1542 dessen Viten der grossen Griechen und Römer in lateinischer Übersetzung heraus, elf Jahre nach der Ausgabe des Grynaeus bei Bebel (GG 101), auf die Gemusaeus auch in seiner Widmung an den Königlichen Rat Louis Dangerant, Gesandten des französischen Königs bei der Eidgenossenschaft und Mäzen der Literatur und der Wissenschaften (literarum bonarum omnium), von Basel, 1. August 1542, hinweist. 

Ehre und Ruhm, beginnt der Basler Mediziner und Philosoph Gemusaeus seine Widmung, hätten schon immer, wie auch jetzt, die Künste und Studien gefördert; Musik und Geometrie, Mathematik seien bei den Griechen in höchsten Ehren gestanden. Laut Sueton habe Kaiser Vespasian, sonst nicht gerade verschwenderisch, die Künste gefördert und als erster für die lateinischen und griechischen Rhetoren jährliche Löhne aus der Staatskasse festgesetzt. In der Folge zählt Gemusaeus überlieferte Preise für Reden und Bilder auf, Ehrenstatuen, Zahlungen für Statuen und Malunterricht: all das zeige die Wertschätzung der Freien Künste im Altertum. Die Römer hätten dann zunächst den Nutzen einer Sache für den Staat höher geschätzt: Rede- und Kriegskunst, erst später die Dichtung. So sehe man die Künste sich in den Ländern unterschiedlich entwickeln. Vor allen aber brächten die Studien derjenigen Fächer, die man die guten und gebildeten nenne (earum literarum, quas vocant bonas & humaniores), jedem Volke Nutzen. In der Gegenwart lasse die Begeisterung schon wieder nach, schienen die literae unterzugehen, die gerade unter allgemeiner Bewunderung aufgekommen seien. Wohl weil das Geld in den Händen Unkundiger sei, die die literae weder bewunderten noch schätzten und die Belohnungen, die den Gelehrten zustünden, Schmeichlern und Ungebildeten nachwürfen. Sie täten sich gross, wenn sie den einen oder andern ernährten, aber nicht einmal denen reiche das für ihre Angehörigen. Da seien seine Leute zu loben, die, der Klugheit der Alten eingedenk, die Wissenschaften angemessen entlöhnten, so dass sein Staat bald so viele Anführer wie Krieger, so viele hervorragende Lehrer wie die Universitäten der andern Schüler haben werde. Diese Einladung zu den Studien sei Kennzeichen der Klugheit und Grosszügigkeit der allerchristlichsten Könige. Diese Gedanken seien ihm bei der Widmung an ihn, den Gesandten, gekommen, bei der Widmung Plutarchs, der vor nicht langer Zeit, nach dem griechischen Text verbessert, vom unvergleichlichen Simon Grynaeus herausgegeben worden sei (1531), jetzt aber noch viel eleganter erscheine. Auch Plutarch habe einst am Hofe gelebt, in hohem Ansehen unter Kaiser Trajan, doch dabei nie das Studium der Philosophie aufgegeben, immer Klugheit mit Weisheit gepaart. In der Folge kommt Gemusaeus auf die Literaturgattungen zu sprechen: als älteste scheinbar die Dichtung, die aber nur die wahre Geschichte mit Fabeln und poetischem Schmuck umrahme, so dass die Geschichte älter sei. Aber sie habe auch zu allen andern Künsten beigetragen: zur Physiologie, Mathematik, Astronomie, die alle auf langjährigen Beobachtungen gründeten. Auch der Teil der Philosophie, der nach den Sitten benannt sei, beruhe zum grossen Teil auf Beispielen, die der Geschichte entnommen würden, und ebensolchen Nutzen bringe sie dem bürgerlichen Leben, Regierung und Verwaltung. Ohne Geschichtskenntnisse würde das Wissen der Kinder kaum je das ihrer Eltern überragen. Für solche historischen Kenntnisse aber eigne sich Plutarch ganz besonders: er vereinige die Konzentriertheit und Knappheit des Thukydides mit der Unbefangenheit und Erzählfreude Herodots, der natürlichen Lieblichkeit Xenophons, der weisen Lehre Platos und den Sachkenntnissen des Aristoteles: seine Bücherwerkstatt allein bilde eine ganze für die vollständige Bildung reichlich ausgerüstete Bibliothek (welchen Satz sich, wie zuvor die "in imperitorum manibus praemia", der zeitgenössische Basler Besitzer unterstrichen hat). Darum widme er das Werk, das hier zwar nicht zum erstenmal lateinisch erscheine, aber von vielen Fehlern nach griechischen Vorlagen bereinigt, in seine mit den guten Autoren reich ausgestattete Studierstube (Musaeum).

Das Basler Exemplar B c II 108 (1546 / Sum Heptenringiorum Basiliensium / Emptus Biturigibus in Celtica für 3 Pf. und 10 Batzen) hat der Student der Rechte Johann Wilhelm Heptenring (geb. 1531; sein Vater 1531 am Gubel gefallen) 1546 in Bourges für 3 Pfund und 10 Batzen gekauft. Er hat bei Amerbach und dann 1543 und 1545 in Paris studiert (Briefe an Amerbach 24.7.1543 bzw. 13.4.1545), war im November 1545 in Basel, wo er - vergeblich - auf das Erasmusstipendium hoffte, dann in Bourges und befürchtet am 31. Mai 1546, wegen der hohen Lebenskosten früher als geplant heimkehren zu müssen; er ist 1557 in Rom als Hauptmann in französischen Diensten (seine Berichte sind erhalten) gestorben (sein gleichaltriger Bruder Jacob hat sich 1549 in Basel immatrikuliert als Canonicus zu St. Peter; Lizentiat der Rechte, Ratsherr und Landvogt zu Mendrisio, gest. an der Pest 1564).

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc II 108

Illustrationen

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Titelseite mit Epigramm auf Simon Grynaeus von Johannes Senf (Sinapius), demselben wie bei Nr. 102; unten Besitzervermerk von Johann Wilhelm Heptenring, 1546

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Vorrede vom Herausgeber Gemusaeus an den Königlichen Rat Louis Dangerant, Gesandten des französischen Königs bei der Eidgenossenschaft und Mäzen der Literatur und der Wissenschaften, von Basel, 1. August 1542, 1. Seite

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Vorrede vom Herausgeber Gemusaeus an den Königlichen Rat Louis Dangerant, Gesandten des französischen Königs bei der Eidgenossenschaft und Mäzen der Literatur und der Wissenschaften, von Basel, 1. August 1542, 2. Seite

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Vorrede vom Herausgeber Gemusaeus an den Königlichen Rat Louis Dangerant, Gesandten des französischen Königs bei der Eidgenossenschaft und Mäzen der Literatur und der Wissenschaften, von Basel, 1. August 1542, 3. Seite

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Vorrede vom Herausgeber Gemusaeus an den Königlichen Rat Louis Dangerant, Gesandten des französischen Königs bei der Eidgenossenschaft und Mäzen der Literatur und der Wissenschaften, von Basel, 1. August 1542, 4. Seite

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