GG 109

Philonis Iudaei , scriptoris eloquentissimi, ac philosophi summi, Lucubrationes omnes quotquot haberi potuerunt, nunc primum latinae ex Graecis factae, per Sigismundum Gelenium... Basel: Nicolaus Episcopius junior März 1554. Fol.

Genau 27 Jahre nach dem ersten lateinischen Sammeldruck von Schriften des jüdisch-hellenistischen Religionsphilosophen Philon von Alexandria aus der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus, durch Adam Petri in Basel (GG 108), nach dem Abdruck dieser Schriften von 1527 im theologischen Sammeldruck Mikropresbytikon Heinrich Petris von 1550 (GG 436) - worin zum erstenmal auch ein griechischer Text Philos, von De mundo, im Druck erschien - und einer weiteren Auswahl 1553 in Löwen erscheint hier, zwei Jahre nach dem ersten griechischen Sammeldruck durch Adrien Turnèbe in Paris, die erste Gesamtausgabe seiner Schriften in lateinischer Übersetzung (der erste griechische Gesamtdruck wird erst 1613 in Genf, zusammen mit dieser Übersetzung erscheinen). Sie umfasst 43 Schriften auf 651 Folioseiten. 

Übersetzer und Herausgeber ist der Prager Humanist Sigismund Gelenius (Gelensky, 1498-13.4.1554), der, nach Studien u.a. des Griechischen in Venedig bei Markos Musuros, in Padua bei Lazarus Bonamicus und in Bologna bei Camillus Iunius 1509-1514, in Frankreich und Deutschland nach einem kurzen Aufenthalt bei Philipp Melanchthon in Wittenberg sich Mitte Juni nach Basel begeben hat, und seitdem, befreundet mit Erasmus, Beatus Rhenanus, Johannes Froben, dann Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius, sowie Bonifacius Amerbach in der Frobenschen Offizin bis zu seinem Tod als Herausgeber und Übersetzer tätig gewesen ist. Sein Leben hat Celio Secondo Curione am 7. Juni 1554 in einem Nachruf in einem Brief an Bonifacius Amerbach dargestellt und gewürdigt (Beat Rudolf Jenny hat diesen Brief unter Beizug weiterer biographischer Untersuchungen in Band 9 der Amerbach-Korrespondenz umfassend kommentiert). In dieser Philo-Ausgabe - einen Monat vor seinem Tod erschienen - haben wir seine letzte selbständige Publikation vor uns. 

Gewidmet hat er die Erstübersetzung, die mit einem kaiserlichen Privileg Karls V. gegen Nachdruck für dieses Werk von Brüssel, 6. Juni 1553 erschienen ist, am 1. Februar 1554 dem jungen königlichen Protonotar Johannes a Balma (Jean de la Baume), den er durch Gilbert Cousin (Cognatus) kennengelernt haben dürfte, der seit seinen Jahren als Famulus des Erasmus auch wieder in Burgund mit Basel in engem Kontakt geblieben ist. Er wisse, beginnt er, dass seit der Sprachenteilung einer jeden Sprache ihre Anmut gegeben sei, so dass man sogar einen Barbaren besser verstehe und lieber höre, wenn er in seiner eigenen Sprache rede, als durch einen Übersetzer. Den Timaeus des beredten Philosophen Plato habe einst der allerberedteste Redner Cicero übersetzt; doch auch wenn das Werk erhalten wäre, würde niemand, der griechisch könne, es nicht lieber in der Originalsprache lesen. Das Unglück der vergangenen Jahrhunderte nach der Vernichtung des römischen Reiches und der Verwüstung der Amme der Wissenschaften Italien sei so gross gewesen, dass nicht einmal eine lückenlose römische Geschichte erhalten geblieben sei, ausser bruchstückhaft mit zerrissenen Autoren. So habe man diesem und andern Fächern wegen derer, die nur Latein könnten, zu Hilfe eilen müssen, durch die Übersetzung von genügend Bänden durch Gelehrte der Gegenwart. Er habe entschieden, an die heiligen und die heidnischen Geschichtswerke Hand anzulegen, soviel er habe können in überzähligen und zuweilen gestohlenen Stunden in seiner Lebensform, in der er den Stein des Sisyphos oder vielmehr den Plautinischen Mühlstein nun schon zehn Jahre hin und her wälze, indem er in eiliger Lektüre griechische und lateinische Bücher wälze. Wie seine Kinder die Zeit ertrügen, werde die Zukunft weisen; er müsse nur inzwischen Schutzherren suchen, damit sie nicht so kurzlebig würden, dass der Vater sie überlebe (diese Formulierung kein Vierteljahr vor seinem Tod deutet darauf hin, dass er noch keineswegs mit einem so baldigen Ende rechnete). Zu ihnen gehöre er. Er könne nicht umhin, seinen feinen Geist zu liebkosen, den er unter dem idealen gelehrten Bildner Gilbertus Cognatus fleissig ausbilde und, nicht zufrieden mit der Nachahmung gelehrter Männer, mit lieblichen Briefen zu gegenseitigem goodwill einlade. Das lasse auf beste Früchte hoffen. Er finde denn auch hierin berühmte Beispiele von Männern, die Christus selbst vor seiner Fleischwerdung eines Gesprächs gewürdigt haben wie Abraham, Jakob, Moses und vor allem den in allen Lagen gleichmütigen Joseph, obwohl er genügend Beispiele in der eigenen Familie habe, die noch stärker anzustacheln pflegten, worauf Gelenius seine burgundischen Verwandten von Vater Philibert à Balma bis zu seinem Oheim Guillaume à Poupet aufzählt (mit Erzbischof Claude de la Baume hat sich Cousin 1558 in Oberitalien aufgehalten). So komme nun Philo zu ihm mit Moses, der älter sei als Kadmos, aus einer Zeit, die nach den Zeugnissen der Chronographen in Griechenland noch schriftlos gewesen sei. Sie brächten göttliche Lehren und deren alte Deutungen mit sich, was ihn aber nicht abschrecken, sondern gerade anziehen solle, zumal er für geistliche Aufgaben bestimmt sei, sich schon jetzt auf sie vorbereite und, [wie er es für geistliche Aufgaben bestimmt sei, sich schon jetzt auf sie vorbereiten und,] wie er es tue, den in seine Begabung gesetzten Erwartungen entsprechen müsse. Viel Heiliges finde sich darin, nicht Dunkles, sondern eher was die geistigen Augen blende, vieles, das die grössten Theologen später in ihre Kommentare übernommen hätten. Seine Lektüre dürfte nicht unwillkommen sein, da sogar die Theologen die ihnen ferneren Plato und Aristoteles und den in Schrift und Glauben barbarischen Averroes in den Schulen zuliessen. Man müsse nur die Zeit berücksichtigen, bedenken, dass dies geschrieben sei, als das Licht des Evangeliums noch nicht genügend verbreitet gewesen sei. Auch Frömmigkeit und Glaube hätten ihre Kindheit, Jugend, Mannesalter und schienen sich einst ins Greisenalter zu neigen. Doch das Unsterbliche und Gott Liebste kenne kein Greisenalter. Leben und Bedeutung Philos zeigten die folgenden Zeugnisse (auf die Widmung folgen im Druck Testimonia des Eusebius aus der Kirchengeschichte, Augustins, des Hieronymus und des Raphael Volaterranus aus der Suda). Er habe gewiss zu den Vornehmen gehört, Bruder des Alabarchen (wie in Ägypten die höchsten Magistraten der Juden hiessen) Tiberius Alexander, der in Rom unter denen der Freunde Vespasians eine Statue gehabt habe, wie Juvenal verärgert berichte, nicht weniger gebildet als dieser Bruder reich. Daher das Sprichwort, dass entweder Philo platonisiere oder Plato philonisiere. Ihm scheine eher Plato zu philonisieren, das heisst mit Moses zu wetteifern, dessen Schüler Philo gewesen sei. Plato sei bekanntlich in Ägypten gewesen und habe dort nicht mehr von den Schriftgelehrten der Ägypter als von denen der Juden gelernt.

Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: F J IV 11 Nr. 1

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FJ IV 11:1

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Vorrede von Sigismundus Gelenius an Johannes a Balma (Jean de la Baume), datiert vom 1. Feb. 1554, 1. Seite

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Vorrede von Sigismundus Gelenius an Johannes a Balma (Jean de la Baume), datiert vom 1. Feb. 1554, 2. Seite

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Erste Textseite: Anfang von 'De opificio mundi' des Philo

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Kolophon (unten) und Index der Signaturen

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