GG 360

Alexandri Tralliani Medici libri duodecim, Graeci et Latini, multo quam antea auctiores & integriores: Ioanne Guinterio Andernaco interprete, & emendatore. Adiectae sunt per eundem variae exemplarium lectionis Observationes, cum Iacobi Goupyli Castigationibus... Basel: Heinrich Petri August 1556. 8°.

1533 (GG 358) und vermehrt und verbessert 1541 (GG 359) war bei Heinrich Petri eine freie lateinische Bearbeitung der Schriften des Alexander von Tralleis durch den Basler Arzt Albanus Torinus erschienen, 1549 ein erstes Mal in Strassburg eine lateinische Übersetzung des Johannes Guinterius von Andernach; sie wurde 1555 in Venedig, 1560 und 1576 in Lyon, 1567 in Paris und noch 1772 in einer Ausgabe Albrecht von Hallers in Lausanne nachgedruckt; ebenfalls, von Guinterius verbessert, in unserer Ausgabe hier, welche 1772 die Textvorlage gebildet hat. Guinterius (Andernach 1487 - Strassburg 1574) ist einer der bedeutendsten Mediziner seiner Zeit gewesen. Zuerst als Professor des Griechischen in Löwen Lehrer des späteren berühmten Anatomen und Arztes Andreas Vesal und des späteren Strassburger Pädagogen Johannes Sturm an der Artistenfakultät, war er, nach Studium der Medizin in Paris 1536, hier nochmals Lehrer Vesals in der Medizin, dann Michael Servets. Von 1544 an ist er, aus konfessionellen Gründen, in Strassburg ansässig, als Lehrer des Griechischen und als Arzt. Zahlreiche seiner Schriften sind in Basel erschienen, bei Cratander, Lasius & Platter und Winter; sein letztes grosses Werk, in dem er nach spätem Chemiestudium bei dem Paracelsisten Michael Toxites in Strassburg die "Alte und neue, theoretische und praktische Medizin", die galenische und die neue paracelsische Medizin miteinander zu versöhnen sucht, ist 1571 ebenfalls bei Heinrich Petri erschienen: De Medicina veteri et nova tum cognoscenda, tum faciunda Commentarij duo; gewidmet hat er es seinem höchsten weltlichen Herrn, Kaiser Maximilian II. Den griechischen Erstdruck der Schriften Alexanders hatte der Professor der Medizin am Collège Royal Jacques Goupyl (um 1525-1564), selber Besitzer zahlreicher medizinischer Handschriften, auf Bitte des Druckers Robert Estienne, nach zwei Handschriften der Königlichen Bibliothek besorgt, mit separat gedruckten Castigationes, um nicht, schlimmstenfalls, statt der Fehler der Kopisten neue eigene falsche Konjekturen in den Text zu bringen. Die Ausgabe erschien am 4. Januar 1548, nachdem Goupyl für ihre Vorbereitung vom vorangehenden Juni an am Collège Royal Urlaub erhalten hatte. Eine lateinische Übersetzung, wie er sie in seiner Widmung der griechischen Ausgabe an seine Kollegen an der Universität für bald angekündigt hat, ist von ihm nicht erschienen, wohl bewirkt durch das rasche Erscheinen der Übersetzung des Guinterius schon im folgenden Jahr. Unsern zweiten Druck des griechischen Originals zusammen mit seiner ersten vollständigen lateinischen Übersetzung hat der im übrigen hin und wieder recht streitbare Guinterius ohne Datum und Ortsangabe - zumindest enthält der Druck solche nicht - dem Landgrafen Wilhelm von Hessen gewidmet. Dem Brauch gemäss widme er ihm dieses kürzlich vollendete Werk zum Schutz gegen Kritiker und um ihm Publizität zu verschaffen. Es seien zwölf griechisch-lateinische Bücher des Alexander von Tralleis, die zuvor P. Castellanus aus der Königlichen Bibliothek zur Edition herausgegeben und er daraufhin ins Lateinische übersetzt habe (hier folgt er den Angaben Goupyls; Pierre de Chastel war Bischof von Mâcon und Grossalmosenier Heinrichs II.). Und was bisher über die sorgfältigen Annotationes anderer (die Castigationes Goupyls) hinaus vermisst worden sei, habe er aus alten Vorlagen (wobei es sich neben der Erstausgabe nur um andere Handschriften oder Zitate bei andern alten Autoren handeln kann) zuverlässig und sorgfältig wiederhergestellt (seine Animadversiones zum griechischen Text der Handschriften und seiner lateinischen Übersetzung, die auf S. 782 den leicht gestrafften Castigationes Goupyls vorausgeschickt sind). Er hoffe: zum allgemeinen Nutzen der Studiosi. Der Autor verdiene es. Er bewundere seine Urteilsgabe, seine Zuverlässigkeit, Sorgfalt und Kunstgerechtigkeit in der Lehre, während andere vor und nach ihm mehr die Medizin aufgehäuft als sorgfältig überliefert hätten. Nach einigen Quellen sei er zuerst als Iatrosophist, nach andern als Sophist, dann als Iatros, d.h. Arzt bezeichnet worden, doch ohne Belege. Er habe den Beinamen Iatros wohl zur Unterscheidung von andern Alexandern bekommen. Aus wechselseitigen Zitaten lasse er sich zwischen Oribasius und Aëtius einerseits und Paulus Aegineta anderseits ansetzen, nicht lange nach Kaiser Julian (die Einreihung zwischen Oribasius im vierten und Paulus von Aegina im siebenten Jahrhundert gilt mit dem Geburtsdatum um 525 auch heute noch, hingegen hat er mit Aëtius von Amida noch fast gleichzeitig gewirkt und immerhin fast zwei Jahrhunderte nach der Regierungszeit Julians). Es habe ihn für seine Studien nicht lange in Tralleis gehalten, er habe Reisen durch ganz Griechenland, nach Italien, Frankreich, Spanien für nötig gehalten (das hebt auch schon Albanus Torinus hervor). Fremde Ausdrücke zeugten von seiner Gründlichkeit. Die Erfahrungen aus seiner langen Heilpraxis habe er in diesen zwölf Kommentaren niedergeschrieben, in denen keine Krankheit fehle. Keiner der alten griechischen Ärzte und der Neueren habe besser über Therapeutik geschrieben (er gilt auch heute noch als der bedeutendste griechische Arzt nach Galen). Galen habe zwar am reichhaltigsten von allen Vätern der Medizin geschrieben, doch - was er selber bei andern tadle - oft ungeordnet. Oribasius habe bei seinem Versuch, im Auftrag Julians die Medizin in einem Kompendium zusammenzufassen, nur Galen in 72 Büchern zusammengefasst. Als er dieses als für viele unerschwinglich erkannt habe, habe er es nochmals zu acht Büchern für seinen Sohn Eustathius so gekürzt, dass viele Krankheiten, ihre Ursachen und Symptome nun fehlten, dazu die gesamte Krankenpflege. Paulus Aegineta habe ein Werk in der Mitte zwischen diesen schaffen wollen, aber auch da vermissten die Gelehrten manches. Aëtius wiederum habe, Oribasius ähnlich, viel Fremdes übernommen, aber ununterschieden in das Eigene eingestreut. Das sage er nicht, um jene zu tadeln (er hoffe, als Schüler gelten zu dürfen), sondern weil Alexander alles: Ursachen, Symptome, Unterschiede, Herstellung und Anwendung der Heilmittel äusserst differenziert behandle. Seinen Nutzen für den Unterricht würden alle Dozenten der Medizin, speziell die der berühmten Universität Marburg erkennen, deren bedeutendster sein alter Freund Dryander sei (Marburg war die Universität der Landgrafen von Hessen, Johannes Dryander - Eichmann - hatte u.a. 1528-1533 in Paris studiert und wirkte seither als Professor der Medizin an der 1527 gegründeten Universität Marburg, wo er schon im Juni 1535 und März 1536 zwei öffentliche Lehranatomien durchgeführt hat). Seine Ausgabe mit mehr als tausend Verbesserungen und Ergänzungen widme er ihm wegen seines vergangenen Wohlwollens und seiner Neigung für ihn und wegen seiner Förderung der Wissenschaften und der Studiosi, für die er sich bei seinem berühmten Vater Philipp einsetze (dieser hatte die Universität Marburg gegründet). Es gebe nichts Klügeres und nichts Hervorragenderes. Eigene Gelehrsamkeit und Förderung der Gelehrten sei das Edelste und Herrlichste für einen Fürsten. Wie wilde Pflanzen durch Anbau und Pflege mild würden und gleichsam eine andere Natur annähmen (in aliam quasi naturam degenerant), so würden die oft wilden, barbarischen Sinne der Menschen durch Bildung menschlich, mild und gütig gegen alle. Dies habe sein berühmter Vater erkannt, der nicht nur seine eigenen Kinder habe bilden lassen, sondern für sein ganzes Land überall Schulen mit hochgelehrten Männern eröffnet habe, in denen die Jugend des Adels, der Bürger und Fremde zu hervorragender Bildung gelangten. Dafür gratuliere er ganz Hessen.

In seiner auf die Widmung folgenden kürzeren Vorrede an den Leser weist Guinterius diesen nochmals kurz konkret darauf hin, dass er hier den Text des Alexander von Tralleis durch Kollation verschiedener Handschriften vermehrt und verbessert vor sich habe. Beim Übersetzen habe er in der griechischen Vorlage (d.h. dem Pariser Druck) viele Fehler und Lücken entdeckt, die seines Wissens vorher niemand bemerkt habe. Dies obwohl Jacques Goupyl, Königlicher Professor der Medizin in Paris, hierin hervorragende Arbeit bei der Erstausgabe nach einer griechischen Handschrift geleistet habe. Was hierin noch verderbt, lückenhaft, verstellt gewesen sei, habe er mit Hilfe besserer Handschriften wiederherzustellen getrachtet. Dabei sei er sehr ehrfürchtig vorgegangen: er habe nichts leichtfertig geändert, nur aus besseren Handschriften, mit Hilfe anderer Autoren (d.h. nach dortigen alten Zitaten) ergänzt oder getilgt und dies in seinen Anmerkungen angegeben (wie schon Goupyl in den seinen). Seine Verbesserung belege ein Vergleich; es sei eine schwierige Arbeit zu verbessern und sie bringe wenig Ruhm.

Die Ausgabe ist trotz ihres kleinen Oktavformats leserfreundlich zweispaltig gedruckt, der griechische Text jeweils seiteninnen; zudem haben die ersten Bücher, schwindsüchtig nach hinten abnehmend, über die vorangehenden lateinischen und griechischen Drucke hinaus, einige inhaltliche Marginalien.

Das Exemplar L e V 36 stammt aus dem Besitz Remigius Faeschs, das Exemplar des Frey-Grynaeums Frey-Gryn. L VII 1 zeigt keine Benützungsspuren, ist nicht beschnitten sondern nur gehobelt, und hat einen Pappeinband erst des 18. Jahrhunderts, wohl aus der Zeit, da es ins Frey-Grynaeum gelangt ist: es dürfte sich (wie einige wenige andere Bände des Frey-Grynaeums in ähnlicher Form) bis dahin in Verlags- und Buchhandelslagern befunden haben, als ungebundener Buchblock wie damals noch üblich.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Frey-Gryn L VII 1 | Le V 36

Illustrationen

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Titelseite

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2alphar: Vorrede des Übersetzers Johann Guinterius, mit undatierter Widmung an den Landgrafen Wilhelm von Hessen, 1. Seite.

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2alphav: Vorrede, 2. Seite.

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3alphar: Vorrede, 3. Seite.

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3alphav: Vorrede, 4. Seite.

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4alphar: Vorrede, 5. Seite.

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4alphav: Vorrede, 6. Seite.

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5alphar: Vorrede, 7. Seite.

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5alphav: Vorrede, 8. Seite.

Buchseite

6alphar: Vorrede des Übersetzers Johann Guinterius an den Leser.

Buchseite

1ar: Anfang der Schrift des Alexander Trallianus, in griechisch-lateinischem Paralleltext.

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5ccv: Animadversiones von Johann Guinterius, 1. Seite.

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1ffv: Castigationes von Jacques Goupyl, 1. Seite.

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4hhr: Kolophon