GG 376

Iustiniani Principis Novellae Constitutiones , Latine ex Gregorii Haloandri et Henrici Agylaei interpretatione, ad Graecum Scrimgeri exemplar, nunc primum editae. Quibus suis locis interseritur, quicquid vetus versio amplius habet, atque proximis editionib. ex vetustis libris ac Iuliani Epitome aspersum est. In qua editione Henrici Agylaei opera diligentem tum variarum lectionum annotationem, tum Haloandricae versionis castigationem invenire est. Item eiusdem Iustiniani Edicta, Iustini, Tiberii, Leonis philosophi Constitutiones: & una Zenonis, quae ad titulum Codicis De privatis aedificijs pertinet: Henrico Agylaeo interprete. Postremo Canones Sanctorum Apostolorum per Clementem in unum congesti, Gregorio Haloandro interprete. Basel: Johannes Herwagen März 1561. 4°.

1531 hatte Haloander gleichzeitig mit den Teilen des griechischen Corpus iuris auch die Nearai = Novellae, die nach der Publikation des Corpus unter Justinian noch von diesem wie auch von seinen nächsten Nachfolgern erlassenen Gesetze griechisch herausgegeben; 1541 war bei Johannes Herwagen eine zweite verbesserte Ausgabe erschienen (GG 375); hier erscheint nun, zwanzig Jahre später, nach weiteren griechischen und lateinischen Drucken, vor allem einer Ausgabe des schottischen Juristen Henry Scrymgeour (Scrimgerus) bei Henri Estienne Fuggeri Typographus in Genf von 1558, eine Übersetzung nach diesem stark verbesserten Text, nachdem unser Übersetzer Hendrik Agylaeus den nachjustinianischen Teil schon 1560 bei Estienne hatte drucken lassen. Bonifacius Amerbach hatte von diesem Text einer Venezianer Handschrift, die eine viel bessere Überlieferung bot als Haloanders Vorlage und Druck von 1531 (und entsprechend die Basler und Pariser Nachdrucke von 1541 bzw. 1542 und 1543), schon aus einem Brief des jungen protestantischen Wiener Juristen Georg Tanner aus Padua vom 4. Februar 1554 erfahren, der in die Abschrift, die Scrimgerus durch Vermittlung des französischen Gesandten habe nehmen dürfen, hatte Einsicht nehmen können und selber eine Ausgabe vorbereitete. Tanner stand Mitte der 1550er Jahre in engem und regelmässigem Briefwechsel mit Amerbach und - wegen einer Ausgabe, wovon auch Agylaeus weiss - mit Herwagen. Der reformierte Niederländer Agylaeus hat seine Übersetzung Königin Elisabeth von England gewidmet.

Wie Rom, beginnt er, nach der Eroberung durch die Kelten (390 v.Chr.) zerstört am Boden gelegen habe und ohne die (sagenhafte) Befreiung durch Camillus nie zu einer Weltbeherrscherin geworden wäre, so sei es der Jurisprudenz in den vergangenen Jahrhunderten ergangen, die nach ähnlichem Unglück in den letzten Jahren aus Scham über ihre Würdelosigkeit einige Männer zu befreien gesucht hätten. Als sie nur Spott geerntet hätten, hätten sie es aufgegeben oder seien sogar zum Feind übergelaufen, bis Gregor Haloander als ein neuer Camillus das feindliche Lager selber angegriffen und die Burg des Rechts den Barbaren entrissen habe. Nur habe er, anders als Camillus, die Freiheit nicht mehr erlebt. Er habe die verderbten und verfälschten Texte angezeichnet bzw. durch die richtigen ersetzt und nach weiteren Verstärkungen in seinem Kampf gesucht, als er gestorben sei. Er hätte das Recht allein in den Stand zurückgebracht, in den es nun viele in vielen Jahren kaum zu bringen vermocht hätten. Der Stadt Nürnberg gebühre die Ehre, ihm die Arbeit finanziell ermöglicht und ihn in seinen Zweifeln vor der Grösse der Aufgabe wie bei Ermüdung in der Arbeit stets gestärkt zu haben. Die Feinde hätten zu weichen begonnen und viele sich an die Arbeit gemacht, bis auf Kosten des Fürsten Cosimo de Medici, des kleinen Königs von Florenz, die allseits erwarteten sogenannten Florentinischen Pandekten erschienen seien (Florenz 1553). Ihnen sei bald fast das ganze Corpus der Novellen Justinians gefolgt, herausgegeben von Henricus Scrimgerus, nachdem vier Jahre zuvor Georg Tanner das selbe Basler Druckern (librariis) zur Edition übergeben gehabt habe, doch durch deren Zögern, sei es dass sie es nicht nur griechisch hätten drucken wollen oder sonst etwas vermisst hätten, ihm jener Ruhm des Erstdrucks entrissen worden sei (Herwagen hat, wie Alciat am 11. Februar 1540 in einem Brief an Amerbach vermutete, schon damals ein erstes Mal wohl wegen des - allerdings sehr mangelhaften - Lyoner Drucks von 1512 verzichtet). Dies erwähne er deshalb, weil für Tanner dadurch der Erfolg nicht seinem grossen Aufwand an Arbeit und Kosten entsprochen habe. In der Folge weist er auf die Beiträge von François Le Douaren (Duarenus) zur Vervollkommnung der Pandekten aus alten Handschriften hin. Er werde nun viel zu ihrem Verständnis beitragen, vor allem auch durch die Marginalien aus dem Florentiner Text. Was die Novellen betreffe, so habe nichts Wesentliches gefehlt, wenn sie, weshalb sie publiziert worden seien, hätten genutzt werden können. Oft hätten grosse Männer die Rechtsstudenten zur Erlernung der griechischen Sprache aufgefordert, doch sie hätten tauben Ohren gepredigt. Es seien also die Ergänzungen zu denen Haloanders ebenso ins Lateinische zu übersetzen gewesen. Als er an den Novellen zu arbeiten begonnen habe, habe er jene alte Ausgabe (die Übersetzung Haloanders) zu einer Neuausgabe durchsehen und den noch nicht übersetzten Teil übersetzen wollen, eine schwere, aber gern übernommene Arbeit. Er habe also, was bei Haloander noch fehle, so gewissenhaft wie möglich übersetzt, dazu die Beigaben des Scrimgerus: die Edikte Justinians, Justins, des Tiberius, die Konstitutionen Leons des Weisen und eine Zenons zum 10. Titel des 8. Buchs des Codex. Ebenso habe er die Lücke in der Übersetzung Haloanders so ergänzt, dass sich der Text ohne Anstoss lesen lasse, und gewichtigere abweichende Lesarten (sc. des griechischen Textes) am Rande angegeben; dies habe zwar auch Duarenus getan (seine lateinische Übersetzung nach der Ausgabe des Scrimgerus war 1560 in Antwerpen erschienen) - der in sämtlichen Rechtsbüchern nach Vermögen Verbesserungen gebracht habe - doch seien seine Bemerkungen leserfreundlicher, da sie auch Lateinern, die seinen nur Griechen verständlich seien. So fehle nun im Wortlaut der Novellen wohl nichts mehr. Da eben keine noch so genaue und klare Übersetzung sorgfältige Erforscher des Sinnes gänzlich vergewissern könne, wünsche er sich, einst jemand zu finden, der das Lateinische mit dem Griechischen zusammen einander gegenüber drucke. Von Anfang an habe er sich auch an die Verbesserung des griechischen Textes gemacht, und er glaube, ihn nun korrekt zu besitzen. Sein Urteil bestätigt habe ihm sehr der Nomocanonus des Photius, den er nicht zuletzt darum auf lateinisch übersetzt habe, und der jetzt in der Presse sei. Wenn er an einigen Stellen Haloander verbessere und gleichsam der Unaufmerksamkeit beschuldige, tue er das selbe, was jener täte, wenn er noch am Leben wäre. Wenn er bei einer so gewaltigen Arbeit beim ersten Angriff nie gefehlt hätte, käme das einem Wunder gleich. Wer ihn unter diesem Vorwand den Lesern vermiesen wolle, tue das aus Neid (wozu Basilius Amerbach, vielleicht auch auf Hinweis des Agylaeus selber, am Rand seines Exemplars den betreffenden Neider vermerkt hat: In Contium, womit der französische Jurist Antoine Leconte gemeint sein muss). Aber diejenigen verrieten sich selber, die sagten, er hätte mit mehr Nutzen die alten Übersetzungen verbessern sollen als selber zu übersetzen. Das wäre etwas Unmögliches gewesen. Wer habe je einen Misthaufen zum Glänzen gebracht? Wenn es ihnen möglich scheine, warum lieferten sie kein Muster, sich damit allgemein Gunst zu verdienen? Wenn er sich so wie sie im Griechischen unfähig erwiesen hätte, wie sie ganze Konstitutionen ausgelassen hätte? Wenn er enthaltene abgestritten hätte, wie sie es bei Scrimgerus getan hätten? Haloanders Fehler seien weder zahlreich noch von Gewicht und leicht zu verbessern, und er habe dies gern getan, um ihm seinen verdienten Ruhm zu bewahren. Den Schluss bildet eine längere eigentliche Widmung und Lobpreisung der englischen Königin, die sich grosszügiger für die Wiederherstellung der Rechtsbücher eingesetzt habe als die mächtigsten Fürsten, die durch die Gnade Gottes - ein Mädchen als Hercules - die Furien (Marias I. Krieg mit Frankreich nach ihrer spanischen Ehe) aus England vertrieben habe.

Das Basler Exemplar M c IX 9 hat, wie der Eintrag Basilius Amerbachs von 1561 zeigt, Agylaeus Vater und Sohn Amerbach geschenkt (Amerbachiorum).

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Mc IX 9

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit Vermerk der Brüder Amerbach, dass ihnen das Buch vom Übersetzer Henricus Agylaeus geschenkt wurde

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2alphar: Vorrede des Übersetzers Henricus Agylaeus an die Königin Elisabeth von England, ohne Datum, 1. Seite (von 7)

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2Ar: Anfang der 'Novellae Constitutiones'

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4FFfr: Kolophon